Pressespiegel KW 34/2025: Ansichtssache?
Pressespiegel 15.8.2025 bis 22.8.2025

Gewerkschaftsproteste in Tunesien

 

Am Donnerstag kam es in der tunesischen Hauptstadt Tunis zu einer der größten politischen Demonstrationen der vergangenen Jahre. Zwischen 2.000 und 3.500 Menschen gingen laut Medienberichten auf die Straße, um gegen Präsident Kais Saied und zur Unterstützung des Gewerkschaftsdachverbandes Union générale tunisienne du travail (UGTT) zu protestieren. Die Kundgebung begann vor der UGTT-Zentrale auf dem Mohamed Ali-Platz und führte über die Avenue Habib Bourguiba. UGTT-Generalsekretär Noureddine Taboubi warnte in seiner Ansprache vor zunehmenden Drohungen und Kampagnen gegen den Gewerkschaftsbund und forderte rechtsstaatliche Verfahren sowie die Freilassung politischer Gefangener. Sicherheitskräfte verhinderten, dass weitere Menschen sich dem Protest anschließen konnten.

Die Demonstration ist Teil einer Serie von Auseinandersetzungen, welche die Spannungen zwischen Regierung und der UGTT in den vergangenen Wochen deutlich verschärft haben. Am Montag verkündete Premierministerin Sarra Zaafrani Zenzari das Ende des sogenannten Gewerkschaftsurlaubs – einer seit 1956 bestehenden Praxis, die es Beamtinnen und Beamten erlaubt, mit vollem Gehalt für gewerkschaftliche Tätigkeiten freigestellt zu werden. Diese Regelung sei illegal und verschaffe bestimmten Staatsangestellten einen ungerechtfertigten Vorteil, so Zenzari. Die Entscheidung folgte nur einen Tag nach dem UGTT-Protestaufruf.

Zuvor hatte am 7. August eine Demonstration von Saied-Anhängerinnen und -Anhängern vor der UGTT-Zentrale stattgefunden, bei der dem Dachverband Korruption vorgeworfen und ihre Auflösung gefordert wurde. Die UGTT sprach von einem organisierten Angriff. Präsident Saied verteidigte die Proteste öffentlich und forderte die Offenlegung von Finanzunterlagen. Analystinnen und Analysten werten dies als indirekte Legitimation der Aktion und einen weiteren Schritt zur öffentlichen Delegitimierung der UGTT.

Die Konflikte zwischen Regierung und UGTT fallen in eine Phase wachsender sozioökonomischer Spannungen. Tunesien kämpft mit hoher Inflation, steigender Arbeitslosigkeit, Versorgungsengpässen und wachsender Staatsverschuldung. Ende Juli legte ein dreitägiger Streik der mit der UGTT verbundenen General Transport Federation weite Teile des Landes lahm. Seit Mitte Mai liegen zudem die Gespräche zwischen Regierung und UGTT über die Erhöhung der Mindestlöhne und Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst auf Eis, obwohl bestehende Vereinbarungen in diesem Jahr auslaufen. Auch politisch bleibt die Lage angespannt. Seit Saieds Machtübernahme im Juli 2021 regiert dieser zunehmend autoritär. Die Wahlen 2022 und 2024 fanden unter weitgehendem Ausschluss der Opposition statt. Anfang Juli wurden mehrere prominente Oppositionspolitiker, darunter Rached Ghannouchi und Ex-Premier Youssef Chahed, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte warnten vor willkürlichen Inhaftierungen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit.

Die UGTT ist mit über 700.000 Mitgliedern der größte Gewerkschaftsbund des Landes und seit ihrer Gründung 1946 eine wichtige politische Kraft. Als Teil des „Nationalen Dialogquartetts“ wurde sie 2015 für ihre Vermittlungsrolle im politischen Übergang Tunesiens nach dem Arabischen Frühling mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren hat die UGTT jedoch auch an Rückhalt eingebüßt. Beobachterinnen und Beobachter verweisen auf interne Kritik an der Führung, unter anderem aufgrund der Verlängerung von Mandatszeiten. Die Demonstration am Donnerstag wird von vielen dennoch als Beleg dafür gewertet, dass der Gewerkschaftsbund weiterhin mobilisieren kann und ein bedeutender Akteur im politischen Gefüge bleibt. Wie sich das Verhältnis zwischen Regierung und UGTT in den kommenden Wochen entwickelt, bleibt offen. Beobachterinnen und Beobachter sehen im aktuellen Konflikt eine mögliche Wegmarke sowohl für die künftige Rolle der UGTT als auch für die politische Dynamik im Land.

 

 

Gipfeltreffen der SADC-Staaten in Antananarivo

 

Am Sonntag fand der 45. Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Southern African Development Community (SADC) in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo statt. Madagaskars Präsident, Andry Rajoelina, übernahm dabei den rotierenden Vorsitz von seinem simbabwischen Amtskollegen Emmerson Mnangagwa. Für das Jahr 2026 wurde der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa als künftiger Vorsitzender bestimmt. Der amtierende SADC-Exekutivsekretär Elias Magosi wurde vom Gipfel für eine zweite und finale vierjährige Amtszeit bestätigt.

Im Mittelpunkt des Gipfeltreffens standen – getreu dem Gipfelmotto „Advancing Industrialisation, Agricultural Transformation, and Energy Transition for a Resilient SADC“ – Maßnahmen zur Stärkung industrieller Kapazitäten, zur Förderung regionaler Wertschöpfungsketten, zur Modernisierung der Landwirtschaft sowie zur Umsetzung einer gerechten Energiewende. Bis 2030 soll der intraregionale Handel von derzeit elf auf 30 Prozent steigen, um die Abhängigkeit von externen Partnerinnen und Partnern zu verringern. Um dies zu erreichen forderte Exekutivsekretär Magosi eine konsequente Umsetzung des SADC-Handelsprotokolls, das die 16 Mitgliedstaaten zur Schaffung einer Freihandelszone, zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels sowie zur Stärkung von Investitionen verpflichtet. Magosi betonte zudem die Bedeutung der Landwirtschaft für die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Resilienz der Region: Der Sektor trage derzeit rund 33 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und sichere 62 Prozent der Bevölkerung ein Einkommen, dennoch seien 2024 fast 60 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen gewesen.

Das Abschlussdokument des Gipfels hält eine Reihe wirtschaftspolitischer Beschlüsse fest. Dazu zählen ein Änderungsabkommen zum SADC-Protokoll über Finanzen und Investitionen mit neuen Vorgaben zur Geldwäschebekämpfung sowie die Forderung nach der zügigen Einrichtung des Regional Development Fund, mithilfe dessen wirtschaftliche Resilienz gestärkt, nachhaltige Entwicklung gefördert und langfristige Investitionen mobilisiert werden sollen. Darüber hinaus wurden auch geo- und sicherheitspolitische Themen angesprochen, darunter der Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo sowie die Westsahara-Frage. Dabei bekräftigte der Gipfel die Solidarität mit der Bevölkerung der Westsahara im Streben nach Selbstbestimmung und hob die Bedeutung der im April 2025 unterzeichneten Absichtserklärung zwischen der SADC und der Western Sahara/Sahrawi Arab Democratic Republic hervor.

In seiner Eröffnungsrede formulierte Präsident Rajoelina fünf Prioritäten für seine einjährige Amtszeit – darunter regionale Kohäsion, kollektive Verhandlungsführung mit internationalen Partnerinnen und Partnern, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden AGOA-Verhandlungen mit den USA, die Priorisierung von Sicherheit und Stabilität, die Beschleunigung regionaler Industrie- und Energieprojekte sowie die Transformation der Landwirtschaft zur Sicherung der Ernährungssouveränität der Region.

Madagaskar übernimmt erstmals seit seinem Beitritt vor 20 Jahren den SADC-Vorsitz. Zwischen 2009 und 2014 war das Land nach Rajoelinas militärgestütztem Sturz von Präsident Marc Ravalomanana suspendiert. Rajoelina kehrte 2018 durch Wahlen an die Macht zurück und wurde 2023 in umstrittenen Wahlen bestätigt. Die ehemaligen Präsidenten Ravalomanana und Hery Rajaonarimampianina kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung die Abhaltung des Gipfels angesichts der politischen und wirtschaftlichen Lage. Auch Beobachterinnen und Beobachter verweisen darauf, dass Proteste im Land zunehmend eingeschränkt würden. Die Ausrichtung des Gipfels wird in diesem Zusammenhang teils als strategisches Mittel eingeordnet, mit dem Rajoelina Madagaskars regionale Rolle stärken und seine eigene Position festigen wolle.

 

 

Und sonst?

 

Die Afrikanische Union (AU) verkündete offiziell ihre Unterstützung für die von Africa No Filter und Speak Up Africa initiierte „Correct the Map“-Kampagne. Diese fordert, die weitverbreitete Mercator-Weltkarte durch die 2018 entwickelte Equal Earth-Projektion zu ersetzen, da erstere die Größe Afrikas nicht realitätsgetreu wiedergibt. Die ursprünglich für die Navigation entwickelte Mercator-Karte vergrößert Regionen nahe der Pole, während sie Gebiete am Äquator wie Afrika und Südamerika deutlich kleiner erscheinen lässt. Dieses verzerrte Bild beeinflusse Medien, Bildung und Politik und trage dazu bei, dass Afrika in der globalen Wahrnehmung marginalisiert wird, erklärte Selma Malika Haddadi, Vizevorsitzende der AU-Kommission. Die Karte vermittle fälschlicherweise, dass Afrika klein und unbedeutend sei, obwohl es der zweitgrößte Kontinent ist und über eine Milliarde Menschen dort leben. Die Forderung nach einer realitätsgetreuen Darstellung gehe Hand in Hand mit dem Ziel der AU, Afrikas rechtmäßigen Platz auf der Weltbühne zurückzufordern, so Haddadi weiter. Die Debatte um die Ablösung der Mercator-Projektion ist nicht neu, wurde durch die Kampagne jedoch erneut angestoßen. Entsprechend fordern die Initiatorinnen und Initiatoren eine breitere Verwendung der Equal Earth-Karte in Schulen und internationalen Organisationen. Auf Anfrage erklärte ein Sprecher der Weltbank, dass ihre statischen Karten bereits auf neueren Projektionen wie Equal Earth oder Winkel-Tripel basieren und die Nutzung von Mercator in Webkarten schrittweise eingestellt werde.

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