KW 25/2022: Auf der Suche nach Stabilität
Pressespiegel 17.6.2022 bis 24.6.2022

Ukrainischer Präsident Selenskyj spricht vor der AU

Am vergangenen Montag sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschalte zur Afrikanischen Union (AU). Das Gespräch, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, war das erste mit der Regionalorganisation seit der russischen Invasion der Ukraine im Februar dieses Jahres. In seiner zehnminütigen Rede betonte Selenskyj, dass nicht die Ukraine, sondern Russland für die derzeitige Blockade von Getreideexporten und somit die Nahrungsmittelkrise auf dem afrikanischen Kontinent verantwortlich sei. Russland warf er dabei vor, Afrika als „Geisel” in diesem Konflikt genommen zu haben und hob die guten Handelsbeziehungen sowie den ukrainischen Beitrag zu Friedensmissionen in Afrika, die den afrikanischen Kontinent und die Ukraine miteinander verbinden, hervor. Gleichzeitig versicherte er, die Ukraine und ihre Partner würden alles daran setzen, eine neue „Versorgungslogistk für Afrika und andere Kontinente aufzubauen”. Zudem kündigte Selenskyj die Ernennung eines ukrainischen Sondergesandten für Afrika an und schlug die Organisation einer Afrika-Ukraine Konferenz vor, um die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auch zukünftig zu stärken. Die AU betonte in dem Gespräch erneut, dass ein Dialog dringend notwendig wäre, um die globale Stabilität wiederherzustellen. Die Ukraine hatte bereits seit April versucht, das Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs der AU zu organisieren; die AU hatte dieses jedoch immer wieder verschoben. Von den 55 eingeladenen afrikanischen Staats- und Regierungschefs nahmen neben Senegals Präsidenten und aktuellem AU-Vorsitzenden, Macky Sall, schlussendlich nur Alassane Ouattara (Côte d’Ivoire), Mohammed el-Menfi (Libyen) und Denis Sassou Nguesso (Republik Kongo) sowie AU-Kommissionsvorsitzender Moussa Faki persönlich teil, während sich zur gleichen Zeit sieben afrikanische Staats- und Regierungschefs in Nairobi trafen, um Sicherheitsfragen in der Region der Großen Seen zu erörtern. Die übrigen Mitgliedstaaten waren lediglich auf Außenminister- oder Botschafterebener vertreten. Nachdem Macky Sall vor drei Wochen nach Russland gereist war, um dort Präsident Putin persönlich zu treffen (Pressespiegel KW 23/2022), bewerteten kritische Stimmen das Gespräch als rein symbolische Geste der AU, um die Kommunikation, die sich zuvor stark an Russland gerichtet hatte, neu auszurichten und die Neutralität des Kontinent in diesem Konflikt zu betonen. Auf Twitter begrüßte Sall die „freundliche Ansprache“ Selenskyjs und betonte Afrikas Bereitschaft zur Einhaltung der Regeln internationalen Rechts und der friedlichen Lösung von Konflikten.

Verfassungsänderung in Tunesien angestrebt

In den vergangenen Tagen protestierten in Tunis tausende Menschen gegen die geplante Verfassungsänderung von Präsident Saied. Ein Generalstreik von mehr als 700.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes legte am Donnerstag weite Teile des Landes lahm. Nachdem Saied, der seit 2019 im Amt ist, im letzten Jahr das Parlament auflöste und seither per Dekret regiert, sehen viele in der neuen Verfassung einen weiteren Schritt hin zur dauerhaften Machterhaltung des Präsidenten. Dieser jedoch gibt an, durch geänderte Kompetenzen die seit einem Jahr andauernde Regierungskrise überwinden und die tiefgreifende Korruption bekämpfen zu wollen. Die innenpolitischen Spannungen werden zudem durch die andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise weiter verschärft. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie steht Tunesien kurz vor einem Staatsbankrott, vor dem nun ein Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) retten soll. Der IWF fordert weitreichende Reformen und unterstützt den Reformkurs des Präsidenten, während er von den tunesischen Gewerkschaften abgelehnt wird. Ein weiterer Streitpunkt bei der Ausgestaltung der neuen Verfassung ist die künftige Rolle des Islam. Präsident Saied sieht vor, diesen nicht mehr als Staatsreligion in der Verfassung zu verankern, was in der mehrheitlich muslimisch geprägten Gesellschaft und insbesondere in der als gemäßigt islamitisch geltenden größten Oppositionspartei Ennahda auf Kritik stößt. Nach dem Arabischen Frühling einigten sich die religiösen und sekulären Kräfte, den Islam auch in der Verfassung von 2014 als offizielle Staatsreligion zu verankern. Der für die Überarbeitung der Verfassung ernannte Rechtsprofessor und Vorsitzender des Hohen Beratenden Nationalen Komitees für die neue Republik, Sadek Belaid, überreichte dem Präsidenten am vergangenen Montag den Neuentwurf. Sollte dieser dem Neuentwurf zustimmen, ist für den 25. Juli ein abschließendes Referendum geplant. Die Opposition hat bereits ihren Boykott angekündigt.

Und sonst?

Am vergangenen Samstag wurde in Kassel die Documenta fifteen eröffnet. Während die diesjährige Documenta von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet wird, geraten andere Kunstwerke eher in den Hintergrund. Dabei sind gerade afrikanische Kollektive dieses Jahr besonders stark vertreten, die mit ihren Kunstwerken die westliche Deutungshoheit über Kunst und Weltgeschichte in Frage stellen. Mit dem aus Stoffballen hergestellten Pavillon namens „Zurück an den Absender – Lieferdetails”, kritisiert z.B. Das Nest-Kollektiv aus Kenia den oftmals als Spende getarnten Export von Textil- und Elektroschrott nach Afrika: Die Stoffballen bestehen aus gebrauchten Textilien, die aus Europa gespendet wurden, allerdings aufgrund ihrer niedrigen Qualität und ihres schlechten Zustand nicht mehr genutzt werden können. Rund 40% der nach Kenia exportierten Secondhand-Textilien seien unbrauchbar, so das Kollektiv. Zu der Installation gehören außerdem aus Elektroschrott hergestellte Kunstwerke sowie ein Film über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Altkleiderspenden.

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