Südafrikas Ausladung von G20-Formaten unter US-Vorsitz
Am Dienstag endete das erste Sherpa-Treffen der G20 unter US-Präsidentschaft in Washington D.C. – ohne Südafrika. Das G20-Gründungsmitglied, das den Vorsitz des Forums erst am 1. Dezember an die USA übergeben hatte, wurde von der US-Regierung nicht eingeladen und ist nach aktuellem Stand auch von allen weiteren G20-Treffen unter US-Vorsitz ausgeschlossen. Südafrikas Regierungssprecher Vincent Magwenya bezeichnete die Entscheidung als einen Affront gegen den Multilateralismus und forderte die übrigen G20-Staaten auf, sich klar zu positionieren. Einen Boykott durch andere Mitglieder lehnte Pretoria jedoch strikt ab und kündigte an, seine G20-Aktivitäten für das Jahr 2026 auszusetzen, bis das Vereinigte Königreich im kommenden Dezember die Präsidentschaft für 2027 übernehme.
Die Entscheidung der US-Regierung, Südafrika nicht zu den G20-Formaten unter ihrem Vorsitz zu akkreditieren, knüpft an politische Differenzen an, die sich seit dem Amtsantritt der Trump-Administration zugespitzt haben und schon während der südafrikanischen G20-Präsidentschaft sichtbar wurden. So führten sowohl US-Präsident Donald Trump Ende November auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social als auch US-Außenminister Marco Rubio in einer offiziellen Stellungnahme des Außenministeriums vom 3. Dezember erneut unbelegte Vorwürfe eines angeblichen „weißen Genozids“ an weißen Afrikaanerinnen und Afrikaanern auf. Südafrika wies diese Anschuldigungen mehrfach und entschieden zurück, ebenso wie die Vorwürfe, Land willkürlich ohne Entschädigung zu enteignen oder Rassismus gegen weiße Afrikaanerinnen und Afrikaaner zur Politik zu machen. Washington kritisierte zudem Südafrikas außenpolitische Positionierung, darunter enge Beziehungen zum BRICS+-Mitglied Iran und mutmaßliche Sympathien für die Hamas. Darüber hinaus argumentierten Trump und Rubio, Südafrika hätte mit der Schwerpunktsetzung seiner G20-Präsidentschaft eine spaltende Agenda vorangetrieben, Vorbehalte der USA gegen Konsenskommuniqués ignoriert, Beiträge zu Verhandlungen blockiert und den Vorsitz nicht ordnungsgemäß übergeben, was zeige, dass das Land keiner Mitgliedschaft „würdig“ sei. Sie kündigten schließlich die sofortige Einstellung von Zahlungen und Subventionen an Südafrika an.
Einige südafrikanische und regionale Analysen sehen in den von der US-Regierung vorgetragenen Vorwürfen gegen Südafrika nur einen Teil der Gründe für die Ausladung des G20-Gründungsmitglieds. So wird die Entscheidung hier auch als politische Bestrafung dafür interpretiert, dass Südafrika Israel beim Internationalen Gerichtshof wegen Völkermords angeklagt habe und weiterhin trotz politischen Drucks an dieser Klage festhalte. Als Indiz für eine solche politische Vergeltung wird auch der im November verkündete Widerruf des US-Visums der ehemaligen südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor, die 2023 für die Einreichung der Klage verantwortlich war, gewertet.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa stellte derweil in einer offiziellen Stellungnahme klar, dass Südafrika ein souveräner, verfassungsrechtlich verankerter demokratischer Staat sei und eine öffentliche Infragestellung seiner „Würdigkeit“, an multilateralen Foren teilzunehmen, zurückweise. Zugleich zeigte sich Ramaphosa enttäuscht, dass wiederholte Versuche, die Beziehungen zu den USA neu zu justieren, durch auf Fehlinformationen und Verzerrungen beruhenden Vorwürfen untergraben würden. Außenminister Ronald Lamola betonte zudem, dass kein einzelnes G20-Mitglied das Recht habe, ein anderes auszuschließen. Die G20 seien ein „Forum unter Gleichen“, in dem Entscheidungen im Konsens getroffen werden. Darüber hinaus, so Lamola, seien die USA auf eigene Entscheidung hin mehreren Treffen ferngeblieben und könnten die Verhandlungen während Südafrikas G20-Präsidentschaft kaum beurteilen.
Eine deutliche Reaktion kam auch aus Deutschland. Bundeskanzler Friedrich Merz verteidigte Südafrikas Platz am internationalen Verhandlungstisch und erklärte, er werde sich bei den USA für eine Einladung Südafrikas zum G20-Gipfel stark machen. Der deutsche Botschafter in Südafrika, Andreas Peschke, unterstrich ebenfalls Südafrikas wichtige Rolle innerhalb der G20 als einziger Vertreter des afrikanischen Kontinents neben der Afrikanischen Union, die 2023 in das multilaterale Forum aufgenommen wurde. Dies habe das Land auch während seiner erfolgreichen G20-Präsidentschaft gezeigt, so Peschke. Gleichzeitig könne ein Ausschluss Südafrikas einen Präzedenzfall im heterogenen G20-Gefüge schaffen und die Teilnahme oder den Ausschluss anderer Staaten bei bilateralen Streitigkeiten beeinflussen. Auch Frankreich kündigte derweil an, Südafrika als Gast zum G7-Gipfel 2026 einzuladen, während China seine Unterstützung für die fortgesetzte Teilnahme Südafrikas an der G20 bekräftigte, um Multilateralismus, weltweites Wachstum und eine verbesserte globale Wirtschaftssteuerung zu fördern.
Südafrikas Ausladung aus den G20-Formaten unter US-Präsidentschaft geht über einen bilateralen Konflikt hinaus und wirft Fragen nach dem G20-Konsensprinzip, aber auch nach Funktionsweise multilateraler Foren und damit dem Stand des Multilateralismus allgemein auf. Gerade in einer multipolaren Welt mit zunehmender geopolitischer Fragmentierung und dem steigenden Primat unilateraler Interessen sind berechenbare und stabile Partnerschaften sowie handlungsfähige multilaterale Prozesse von entscheidender Bedeutung, um globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Südafrika nimmt dabei eine besondere Rolle ein: Es vertritt zentrale Interessen Afrikas und des Globalen Südens, etwa mit Blick auf wirtschaftliche Stabilität, Klimaschutz und -gerechtigkeit sowie Reformen der internationalen Finanzarchitektur und gilt zugleich als Akteur, der sich für multilaterale Kooperation und konsensorientierte Diplomatie einsetzt. Damit ist das Land auch für Deutschland und Europa ein entscheidender Partner, für dessen Einladung zum kommenden G20-Gipfel es sich ungeachtet der möglichen Erfolgschancen einer solchen Intervention weiterhin stark zu machen gilt und somit zu zeigen, dass das Streben nach multilateraler Zusammenarbeit nicht nur Lippenbekenntnis ist. Darüber hinaus ist eine vertiefte Zusammenarbeit Deutschlands und Südafrikas gerade in diesen Zeiten nicht nur notwendig, um Multilateralismus zu stärken und sich gegen eine Politik zu positionieren, die auf Desinformationskampagnen und Partikularinteressen beruht, sondern kann auch ein wichtiges und glaubwürdiges Signal senden, dass Staaten im Sinne eines demokratischen Miteinanders nicht in allen außenpolitischen Fragen übereinstimmen müssen, um gemeinsam Lösungen für globale Probleme zu finden.