KW 30/2021: Am seidenen Faden?
Pressespiegel 24.7.2021 bis 30.7.2021

Politische Krise in Tunesien: Präsident entlässt Regierung

Tunesiens Präsident Kais Saied, hat in der Nacht zum Montag im Beisein von Armeegenerälen Premierminister Hichem Mechichi entlassen und die Arbeit des Parlaments für 30 Tage ausgesetzt. Außerdem wurde die Immunität aller Abgeordneten aufgehoben. Saied kündigte darüber hinaus an, die exekutiven Aufgaben zunächst selbst an der Seite eines neuen Premierministers übernehmen zu wollen sowie künftig das Amt des Generalstaatsanwaltes auszuüben. Saieds Handlungen folgen auf einen Tag teils gewaltsamer Proteste in mehr als 20 tunesischen Städten gegen Misswirtschaft, Korruption und die Handhabung der Corona-Pandemie durch die Regierung und die stärkste Partei im Parlament, die islamisch-konservative Ennahdha. Tunesien erlebt derzeit einen starken Anstieg der Corona-Infektionen, während sich die wirtschaftliche Krise im Land bereits in den vergangenen Monaten immer weiter zugespitzt hat. Vor diesem Hintergrund stößt Saieds Machtübernahme vor allem in der jungen Bevölkerung Tunesiens auf breite Unterstützung, Zehntausende bejubelten sie auf den Straßen. Auch die mächtige Gewerkschaft Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) stellte sich hinter die Handlungen des Präsidenten. Parlamentspräsident Rachid Ghannouchi von der Ennahdha-Partei nannte das Vorgehen hingegen einen Staatsstreich und erfuhr Unterstützung zweier weiterer wichtiger Parteien im Parlament. Präsident Saied selbst sieht sein Handeln als verfassungskonform. Er beruft sich auf Artikel 80 der im Jahr 2014 in Kraft getretenen tunesischen Verfassung, die im Falle einer „unmittelbaren Bedrohung“ nicht näher spezifizierte außergewöhnliche Maßnahmen genehmigt. Allerdings gilt es als umstritten, ob die bis heute nicht vollständig umgesetzte Verfassung die Machtübernahme des Präsidenten überhaupt rechtfertigt. Denn der für derartige Vorgänge nötige Verfassungsgerichtshof hat seine Arbeit bis dato noch nicht aufgenommen. Ungeachtet dessen entließ Saied am Montagnachmittag per Dekret auch den Verteidigungsminister und die Justizministerin. Am Dienstag folgten weitere Dekrete zur Suspendierung einer langen Liste hochrangiger Regierungsbeamter. Am selben Tag lenkte die Ennahdha-Partei ein und erklärte sich zu vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereit. Sowohl der EU-Außenbeauftragte Josep Borell als auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian äußerten sich am Mittwoch besorgt über die jüngsten Ereignisse und forderten eine umgehende Rückkehr zur rechtsstaatlichen Ordnung. Denn die tunesische Demokratie galt international bisher als Musterbeispiel für einen gelungenen demokratischen Transitionsprozess nach dem Arabischen Frühling im Jahr 2011. Am Donnerstag schien Saied mit der Ernennung von Ridha Gharsallaoui als Innenminister auf den nationalen wie internationalen Druck zu reagieren. Wann der Posten des Premierministers neu besetzt werden wird, blieb jedoch zunächst offen. Die UGTT verkündete mittlerweile, einen Fahrplan für die weiteren Schritte aus der politischen Krise vorzubereiten.

 

Wahlen in Somalia erneut verschoben

Somalia hat zum wiederholten Male die geplante Parlaments- und Präsidentschaftswahlen verschoben. Dem neuesten Plan zufolge sollten die Wahlen am 25. Juli mit der viertägigen Abstimmung der Staatsdelegierten für das somalische Oberhaus beginnen und mit der Präsidentschaftswahl am 10. Oktober enden. Laut Angaben eines Mitgliedes der Wahlkommission konnte die Wahl nicht wie geplant stattfinden, da zum einen die föderalen Regionen nicht in der Lage waren die Kandidatenlisten rechtzeitig einzureichen und zum anderen auch keine lokalen Komitees für die Überwachung der Wahl eingesetzt werden konnten. Am gestrigen Donnerstag konnten die Wahlen im Bundesstaat Jubbaland zwar noch beginnen, nachdem der amtierende Staatschef Ahmed Madobe die Kandidatenliste veröffentlicht hatte, in den anderen vier Bundesstaaten des Landes steht der Start jedoch weiterhin aus. Erschwert wird die Umsetzung der Wahl auch durch Drohungen der Terrormiliz Al-Shabaab, die Politikerinnen und Politiker von einer Teilnahme an den Wahlen abhalten sollen. Bereits seit 2007 versucht Al-Shabaab die Regierung zu stürzen und greift regelmäßig Regierungs- und Sicherheitseinrichtungen, aber auch die Zivilbevölkerung an. Seit Anfang des Jahres befindet sich Somalia zudem in einer Verfassungskrise, da sich im Februar dieses Jahres der amtierende Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt Farmaajo, und die Regierungschefs der fünf somalischen Bundesstaaten nicht auf ein Reglement für die bevorstehenden Wahlen einigen konnten. Dadurch blieb Präsident Farmaajo zunächst auch nach Ablauf seiner Amtszeit am 8. Februar im Amt. Im April verschärfte sich die Lage, als Farmaajo seine Präsidentschaft mit Hilfe des Unterhauses um zwei weitere Jahre verlängerte, jedoch ohne das Oberhaus des Parlaments in die Abstimmung mit einzubeziehen. Nach gewaltsamen Protesten im Land und der Androhung von Sanktionen auf internationaler Ebene konnte sich im Juni auf einen neuen Wahlterminkalender geeinigt werden. Inwieweit dieser nun verfolgt werden kann, ist ungewiss. Laut einer letzten Aktualisierung sollen die Wahlen für das Unterhaus zwischen dem 12. September und 2. Oktober stattfinden, das Datum für die Präsidentschaftswahl wurde hier jedoch nicht bestätigt.

 

Und sonst?

Der Tunesier Ahmed Hafnaoui und die Ivorerin Ruth Gbagbi konnten sich bei den Olympischen Spielen jeweils einen Platz auf dem Siegerpodest und damit die ersten Medaillen für den afrikanischen Kontinent in Tokio sichern. Den Anfang machte der erst 18-jährige Schwimmer Ahmed Hafnaoui, der am vergangenen Sonntag in der Disziplin 400m Freistil überraschenderweise seine erste Goldmedaille gewann. Er setzte sich völlig unerwartet gegen den Australier Jack McLoughlin und den US-Amerikaner Kieran Smith mit einer persönlichen Bestleistung von 3:43,36 min durch. Ruth Gbagbi konnte bereits bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 ihre erste Bronzemedaille im Taekwondo gewinnen. Vergangenen Montag verteidigte die Ivorerin ihre Platzierung gegen die Brasilianerin Milena Titoneli und wiederholte damit ihren Erfolg. Inzwischen führt Südafrika mit einer Gold- und zwei Silbermedaillen den kontinentalen Medaillenspiegel an, in der Gesamtwertung belegt das Land damit den 24. Platz.

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