KW 39/2021: Wegweisend?
Pressespiegel 24.9.2021 bis 1.10.2021

EuGH erklärt EU-Abkommen mit Marokko wegen Westsahara-Konflikt für ungültig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am Mittwoch in Luxemburg über den Rechtsfall T-279/19: „Front Polisario gegen den Rat der Europäischen Union (EU) und erklärte gleich zwei Entscheidungen der EU für nichtig. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob die EU ein Assoziierungsabkommen mit Marokko aushandeln durfte, in dessen Rahmen es auch um die Fischereirechte vor der Küste der früheren spanischen Kolonie Westsahara geht. Betroffen war zudem die Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten aus der Westsahara, die die EU im Rahmen eines Landwirtschaftsabkommens mit Marokko regeln wollte. Die Befreiungsbewegung Frente Polisario klagte gegen die ihres Erachtens völkerrechtswidrigen Abkommen und obsiegte vor dem EuGH. Dieser erklärte wie schon in einigen vergleichbaren Urteilen seit 2016, den Vertretern der EU sei es nicht gelungen zu belegen, dass das Volk der Westsahara insgesamt oder aber sein legitimer Vertreter, die Frente Polisario, ihre Zustimmung zu den Verträgen gegeben hätten, wie es das Völkerrecht erfordere. Zudem betonte das Gericht erneut, die Westsahara sei nicht Teil Marokkos, sondern habe einen „separaten und eigenen Status“. Marokko hingegen betrachtet die vom marokkanischen König Hassan II. nach Abzug der spanischen Kolonialmacht im Jahre 1975 weitgehend annektierte rohstoffreiche Region als integralen Bestandteil seines Staatsgebiets. Als Vertreterin der Sahrauis setzt die Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario sich seit langer Zeit dafür ein, die Selbstbestimmung des sahrawischen Volks und den Abzug Marokkos aus Westsahara zu erreichen. Nicht überraschend wurde das Urteil von der Polisario einhellig begrüßt und als Sieg gefeiert. Der marokkanische Außenminister Bourita und der EU-Außenbeauftragte Borrel, beide offenbar auf eine Niederlage vor Gericht vorbereitet, erklärten in einer gemeinsamen Erklärung, man wolle sich bemühen, den rechtlichen Rahmen aufrechtzuerhalten, der die Stabilität des Handels zwischen der EU und Marokko garantiere. In der Vergangenheit hatte Marokko z.T. heftig auf im Tenor ähnliche Urteile des EuGH reagiert. Auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Marokko befinden sich derzeit u.a. wegen der Westsaharafrage in einer tiefen Krise. Die seit dem Rücktritt des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler vakante Stelle des UN-Sonderbeauftragten für die Westsahara soll am 1. November mit dem schwedisch-italienischen Diplomaten Staffan de Mistura wieder besetzt werden.

Tunesiens Präsident ernennt neue Regierungschefin

Mehr als zwei Monate nach der weitgehenden Machtergreifung durch Tunesiens Präsident Kais Saied  hat dieser am Mittwoch die Geologin Najla Bouden Romdhane zur Premierministerin ernannt. Die 63-jährige Professorin ist damit die erste weibliche Regierungschefin in Tunesien und der gesamten arabischen Welt. Seitdem Saied den ehemaligen Premierminister Hichem Mechichi am 25. Juli abgesetzt und das von der moderat islamistischen Ennahda-Partei geführte Parlament aufgelöst hatte, befindet sich das nordafrikanische Land in einer politischen Krise. Wurde das Vorgehen Saieds angesichts der grassierenden Korruption und der schwierigen wirtschaftlichen Lage zunächst noch vielerorts gefeiert, mehrten sich in den vergangenen Wochen die kritischen Stimmen, die eine Rückkehr zu einer einer Ein-Mann-Diktatur fürchteten. Nachdem Saied letzte Woche zudem Teile der Verfassung ausgesetzt hatte und ankündigte, in Zukunft per Dekret regieren zu wollen, kam es vergangenen Sonntag zu diversen Protesten im Land.  Die Ernennung Boudens, die nun innerhalb der nächsten Tage ein neues Kabinett vorstellen soll, folgt somit auf zunehmenden inneren Druck. Inwiefern es Bouden gelingen wird, die tiefgreifenden Probleme des Landes anzugehen, ist umstritten. Auf der einen Seite verfügt die Geologin über keinerlei politische Erfahrung. Auch ist das Amt der Regierungschefin durch die neuen Machtbefugnisse des Präsidenten geschwächt. So kann Saied etwa selbst Kabinettsmitglieder entlassen. Einige sehen daher in der Ernennung nur einen Schachzug Saieds, Kritikerinnen und Kritiker zu beschwichtigen. Auf der anderen Seite schöpfen Teile der Bevölkerung gerade aus der Tatsache Hoffnung, dass Bouden nicht der als korrupt geltenden politischen Elite des Landes angehört – wie Saied bei seiner Wahl zum Staatsoberhaupt 2019. Die Herausforderungen für die neue Regierungschefin sind derweil enorm. Tunesiens Staatsverschuldung liegt bei über 80% des Bruttoinlandsprodukts. Allein in diesem Jahr sollen noch über 5 Mrd. US-Dollar an Schuldenrückzahlungen fällig werden. Eine der Hauptaufgaben Boudens wird daher die Wiederaufnahme der Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die finanzielle Unterstützung des tunesischen Haushalts sein. Die Verhandlungen hierüber sind seit Saieds Machtergeifung im Juli ausgesetzt.

Und sonst?

Awet Tesfaiesus zieht als erste Schwarze Frau in den Deutschen Bundestag ein. Die 47-jährige Rechtsanwältin aus Kassel, die als Kind mit ihrer Familie aus Eritrea floh, trat in dem Wahlkreis Werra-Meißner/Hersfeld-Rotenburg für die Partei Bündnis 90/die Grünen an und schaffte auf dem Listenplatz 9 den Einzug in den Deutschen Bundestag.  Bereits seit 2009 ist sie aktives Mitglied der Grünen und war zuletzt Stadtverordnete und Sprecherin für Integration und Gleichstellung ihrer Fraktion im Kasseler Rathaus. Ausschlaggebend für ihre Kandidatur für den Bundestag war der rassistische Anschlag im Februar 2020 in Hanau, bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund ums Leben kamen. Auch deswegen will sie sich in ihrer Rolle als Parlamentarierin im Deutschen Bundestag für mehr Chancengleichheit, Diversität und ein Asylgesetz einsetzen sowie gegen Rassismus und Diskriminierung vorgehen.

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