KW 42/2020: Staat und Gewalt
Pressespiegel 10.10.2020 bis 16.10.2020

Umstrittene nigerianische Polizeieinheit aufgelöst

Die nigerianische Polizeieinheit SARS (Special Anti-Robbery Squad) wurde am Sonntag nach anhaltenden Protesten aufgelöst. Die Demonstrierenden werfen der SARS unverhältnismäßige Gewalt und kriminelle Aktivitäten wie Belästigung, Erpressung, Entführungen und außergerichtliche Tötungen vor. Die Proteste begannen zunächst online auf Twitter unter dem Hashtag #EndSARS, bevor landesweit überwiegend junge Menschen auf die Straße gingen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. In der Hauptstadt Abuja sowie in Lagos und anderen großen Städten wurden Hauptstraßen und Mautstellen blockiert. Doch auch nach Ankündigung der Auflösung der berüchtigten Spezialeinheit gehen die täglichen Demonstrationen gegen Polizeigewalt im bevölkerungsreichsten Staat des Kontinents weiter. So fordern die Demonstrierenden von der Regierung Gerechtigkeit für die Opfer und Entschädigungen für betroffene Familien sowie eine Untersuchungskommission und Schulungen für Polizeibeamte. Kritisiert wird zudem, dass die SARS-Einheit zwar aufgelöst, die ehemaligen Mitglieder jedoch schlicht in andere Polizeieinheiten versetzt werden sollen. Nicht zum ersten Mal erhebt sich in Nigeria Protest gegen Polizeigewalt und explizit gegen SARS. Auch in den Vorjahren hatte die Regierung immer wieder Reformen oder die Auflösung der Polizeieinheit versprochen, trotzdem dokumentierte Amnesty International seit 2017 mehr als 82 Fälle von Missbrauch und Tötungsdelikten allein durch Mitglieder der SARS-Einheit. Die nigerianische Polizei geht währenddessen hart gegen die Proteste vor. Seit der letzten Woche verloren dabei nach Berichten von Amnesty International zehn Menschen ihr Leben.

Polizeirazzia bei ugandischem Oppositionspolitiker Bobi Wine

Am Mittwoch stürmten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte das Parteibüro von Ugandas führendem Oppositionspolitiker Bobi Wine. Dieser befand sich gerade in einem Treffen mit anderen hochrangigen Funktionären seiner Partei der National Unity Platform (NUP). Die Polizei beschlagnahmte Wines Unterlagen für die Präsidentschaftskandidatur sowie Material für seine Wahlkampagne und nahm zwischenzeitlich mehr als dreißig Menschen fest. Der Sprecher der ugandischen Armee rechtfertigte die Razzia mit der notwendigen Sicherstellung von Militärausrüstung: Die roten Barette – das Erkennungssymbol Bobi Wines – seien ausschließlich dem Militär vorbehalten. Der Vorwurf, dass während der Razzia die für Wines Registrierung zur Präsidentschaftskandidatur notwendigen Unterschriftenlisten entwendet wurden, blieb vom Sprecher hingegen unkommentiert. Der ehemalige Sänger und heutige Abgeordnete, der mit bürgerlichem Namen Robert Kyagulanyi Ssentamu heißt, gilt als der größte Herausforderer Yoweri Musevenis bei der Präsidentschaftswahl im Februar 2021. Langzeitherrscher Museveni regiert das ostafrikanische Land, das seit seiner Unabhängigkeit noch keinen friedlichen Machtwechsel erlebt hat, bereits seit 34 Jahren. Zuletzt war es dem 76-Jährigen gelungen, die verfassungsmäßige Altersgrenze von 75 Jahren für das Amt des Präsidenten aufzuheben. Immer wieder gerät Museveni in Kritik für die zunehmende Korruption im Land, soziale Ungerechtigkeit und ineffektive Regierungsführung. Daher gilt der erst 38-jährige Wine, der seit seinem Eintritt in die Politik im Jahr 2017 mehrfach unter zweifelhaften Vorwänden verhaftet wurde, vielerorts als ernstzunehmende Alternative für die junge Bevölkerung Ugandas.

Und sonst?

Am vergangenen Montag akzeptierte die ruandische Regierung neue Regelungen für den Anbau und die Verarbeitung von medizinischem Cannabis. Die neuen Richtlinien legalisieren Cannabis ausschließlich für den Export, der Konsum als „Freizeitdroge“ bleibt in dem ostafrikanischen Binnenland weiterhin illegal. Fachleute sind sich einig, dass die Europäische Union einer der größten Absatzmärkte für medizinisches Cannabis aus afrikanischen Ländern werden wird. Weitere Länder wie Eswatini, Uganda und Malawi prüfen ebenfalls eine mögliche Legalisierung für den medizinischen Gebrauch. Der Wert von in Afrika hergestelltem Cannabis und zugehörigen Produkten wird nach Schätzung des britischen Marktforschungsunternehmens Prohibition Partners im Jahr 2023 bei 7,1 Milliarden US-Dollar (rund 6,4 Mrd. Euro) liegen.

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