Verleihung des Deutschen Afrika-Preises 2023 ©DAS/Thomas Köhler/photothek
„1st National Women’s Convention for Peace in Cameroon“ (Kamerun)
Trägerin des Deutschen Afrika-Preises 2023

Deutscher Afrika-Preis 2023 ging an die kamerunische Frauenfriedensplattform „1st National Women’s Convention for Peace in Cameroon“

 

Für ihren signifikanten Beitrag zur Konfliktlösung und ihre Pionierarbeit zur Förderung des Dialogs für Frieden und Versöhnung in Kamerun wurde die Frauenfriedensplattform „1st National Women’s Convention for Peace in Cameroon“ in diesem Jahr mit dem Deutschen Afrika-Preis ausgezeichnet. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein Kollektiv diese prestigeträchtige Auszeichnung erhalten hat. Mit über 1500 Frauen aus allen 10 Regionen und 58 Bezirken des Landes verkörpert die Plattform einen einzigartigen Zusammenschluss zur Förderung von Frieden und Dialog, der nicht nur Inspiration für die Frauen in Kamerun ist, sondern auch für die Suche von Lösungsansätzen in Konfliktsituationen auf dem afrikanischen Kontinent und weltweit.

 

Seit Jahren ist die Sicherheitslage in Kamerun angespannt: In den Regionen Nordwesten und Südwesten kämpfen im sog. Anglophonen Konflikt seit 2017 verschiedene separatistische Gruppierungen gegen die Regierungsarmee für ein unabhängiges „Ambazonien“, in der Region Hoher Norden kommt es seit 2014 zu tödlichen Attacken und Entführungen durch Boko Haram und in der Region Ost begehen Seleka-Rebellen aus der benachbarten Zentralafrikanischen Republik gewalttätige Verbrechen an der Zivilgesellschaft. Diese drei bewaffneten Konflikte sind für ca. zwei Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene verantwortlich. Frauen und Kinder gehören häufig zu den Opfern und sind besonders stark von den Konsequenzen der Auseinandersetzungen betroffen. Dennoch oder gerade deswegen leisten vorrangig Frauen in den betroffenen Gebieten Hilfe für die traumatisierten Opfer und Angehörigen, nehmen Flüchtende auf und fungieren als Mediatorinnen zwischen bewaffneten Gruppen und dem Militär. Von den offiziellen Friedensverhandlungen sind Frauen aber weitestgehend ausgeschlossen. Die Delegationen bei den Verhandlungsversuchen zwischen Regierung und Separatisten 2020 bestanden bspw. ausschließlich aus Männern.

 

Diesem Sachverhalt will die Frauenfriedensplattform entgegenwirken. Im Juli 2021 kamen 1.500 Frauen aus allen Regionen des Landes zusammen, um ihre Erfahrungen zu teilen und gemeinsam nach Lösungsansätzen für die Konflikte ihres Landes zu suchen. Nach drei Tagen des Austausches verabschiedeten die Friedensaktivistinnen, Kriegsopfer, Soldatinnen, Hausangestellte, Polizistinnen, Studentinnen, Professorinnen, Marktfrauen und Anwältinnen einen gemeinsamen „Appell der Frauen für den Frieden“, der medienwirksam der Regierung übergeben wurde. Er enthielt Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand, einer sofortigen Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Regierung und Separatisten, einer Einbindung von Frauen als Friedensvermittlerinnen, der Stärkung von Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungszentren sowie der Schaffung von Zentren für psychosoziale Betreuung von Gewaltopfern. In der Folge gründete sich aus der Konvention heraus die gleichnamige Plattform mit damals 38 Mitgliedsorganisationen. Inzwischen sind es 80 Organisationen, die in den 10 Regionen Kameruns wichtige Arbeit leisten u.a. mit Binnenvertriebenen, für den Schutz von Kindern, die Förderung von Bildung auch in Konfliktgebieten oder im Bereich von geschlechtsspezifischer Gewalt.

 

Über diese tägliche Arbeit hinaus engagieren sich die Frauen in der Plattform, die demokratisch gewählte Strukturen hat, wie bspw. das rotierende Steuerungsgremium und den Ältestenrat, in denen die Regionen stets paritätisch vertreten sind. Im September 2022 organisierte die Plattform eine Simulation von Friedensverhandlungen für die drei großen Konflikte des Landes. Hierzu waren Beobachterinnen und Beobachter aus internationalen Organisationen, aber auch aus der kamerunischen Regierung und Politik eingeladen, Separatistenführer aus der Diaspora wurden per Livestream hinzugeschaltet. Die Frauen verhandelten öffentlichkeitswirksam in drei Regionalkomitees jeweils ein Friedensabkommen pro Konflikt sowie einen Frauenfriedensvertrag, der die Konfliktregionen verbindet und am Ende der Regierung übergeben wurde.

 

In einer Zeit, in der alle Zeichen auf militärischer Intervention stehen, bleibt die „1st National Women’s Convention for Peace in Cameroon“ somit die einzige von allen Konfliktakteuren akzeptierte Initiative, die weiterhin auf Dialog, Verhandlung und Versöhnung setzt und gleichzeitig maßgeblich gesellschaftliche Gleichberechtigung und die politische Teilhabe von Frauen fördert.

 

Dabei manövrieren die Frauen nicht nur ein ungemein feindseliges und gefährliches Umfeld – die Mehrheit von ihnen hat selbst Gewalt erfahren und ist zudem durch die Arbeit in ihren Organisationen, die sie für die Gesellschaft leisten, tagtäglichen Gefahren für das eigene Leben und das der Familie ausgesetzt. Auch müssen sie sich mit ihren eigenen Differenzen, die angesichts unterschiedlicher Konflikterfahrungen sowie unterschiedlicher kultureller, wirtschaftlicher und politischer Herkunft teils unüberbrückbar scheinen können, auseinandersetzen und diese für ihr gemeinsames Ziel überwinden. Dass dies erfolgreich geschieht, macht die Frauenplattform zu einem leuchtenden Beispiel für Ansätze von Konfliktlösung, die in vielen Konflikten der Welt Anwendung finden können. Denn den Mut und die Entschlossenheit aufzubringen, trotz aller Bedrohungen, Hindernisse und negativen Rahmenbedingungen auf Dialog zu setzen und mit der Friedensarbeit fortzufahren, bringen insbesondere diejenigen, auf, die am stärksten von Konflikten betroffen sind: die Frauen. Dass Frauen deshalb auch aktiv in die Konfliktlösung miteinbezogen werden müssen, ist rhetorisch schon seit der UN-Resolution 1325 bekannt. Die kamerunische Frauenfriedensplattform beweist dabei in der Praxis, wie diese Einbindung und damit auch nachhaltige Lösungsansätze für Konfliktsituationen aussehen können.

 

Der Deutsche Afrika-Preis 2023 wurde am 30. November in Berlin verliehen und stellvertretend für die Frauen der Friedensplattform von Sally Mboumien, Sonderberichterstatterin für gender-based violence, Esther Omam und Marthe Wandou, beide im Ältestenrat, entgegengenommen.

Hier ist ein kurzer Film, der die Arbeit der drei Frauen vorstellt, produziert und mit Copyright der Deutschen Welle.

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Sally Mboumien ist die Gründerin und Geschäftsführerin der Organisation Common Action for Gender Development (COMAGEND), die sich für die Verwirklichung der Rechte von Frauen und Mädchen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit einsetzt. Darüber hinaus ist sie Generalkoordinatorin der South-West/North-West Women‘s Taskforce (SNWOT), einer Koalition zur Beendigung des Konflikts in den Regionen Nordwest und Südwest Kameruns. Sie ist die Vertreterin der Frauen im Nationalen Lenkungsausschuss des Präsidentenplans für den Wiederaufbau der Regionen Nordwest und Südwest.

 

Esther Omam ist seit gut 20 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe in Kamerun tätig, insbesondere in der Region Südwest des Landes. Sie hat den humanitären Zugang zu einigen der entlegensten und gefährlichsten Gebiete der Anglophonen Krise ausgehandelt. 2019 gelang es ihr, die Anführer von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen davon zu überzeugen, ein dreijähriges Schulverbot aufzuheben. Omam hat unter anderem für die Vereinten Nationen gearbeitet, hatte verantwortungsvolle Positionen in zivilgesellschaftlichen Organisationen inne und ist Mitglied eines Netzwerks, welches Frauen mit einem breiten Spektrum an Mediationswissen und -erfahrung zusammenbringt. Darüber hinaus ist sie Direktorin der Nichtregierungsorganisation Reach Out Cameroon.

 

Marthe Wandou hat sich in der Region Hoher Norden seit nun 30 Jahren dem Kampf für die Rechte von Frauen und Kindern verschrieben. Sie ist die Gründerin des Vereins ALDEPA (Lokale Aktion für partizipative und selbstverwaltete Entwicklung) im Hohen Norden Kameruns und in der Region um den Tschad-See. Sie ist eine der Preisträgerinnen des Right Livelihood Awards 2021, dem „Alternativen Nobelpreis“. Sie erhielt diese Auszeichnung für „die Schaffung eines Modells des gemeindebasierten Kinderschutzes angesichts terroristischer Übergriffe und geschlechtsspezifischer Gewalt in der Tschadsee-Region“ von dem bereits mehr als 50.000 Mädchen profitiert hätten. Aktuell ist sie Mitglied des Ältestenrates der Frauenfriedensplattform.

 

Seit 1993 ehrt die Deutsche Afrika Stiftung (DAS) mit dem Deutschen Afrika-Preis© herausragende Persönlichkeiten des afrikanischen Kontinents, die sich in besonderer Weise für Demokratie, Frieden, Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung, Forschung, Kunst und Kultur oder die gesellschaftlichen Belange in Afrika engagieren. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden jedes Jahr von einer unabhängigen 20-köpfigen Jury, unter Leitung von Claus Stäcker, Leiter der Afrika-Programme der DW, ausgewählt. Die Verleihung erfolgt durch hochrangige deutsche Politikerinnen und Politikern, zuletzt Bundeskanzler Olaf Scholz, vor ca. 300 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die DAS ist eine überparteiliche Stiftung, die sich für die erfolgreiche Umsetzung der afrikapolitischen Leitlinien der deutschen Bundesregierung einsetzt. Eine ihrer Kernaufgaben ist zudem die Vermittlung eines differenzierten Afrikabildes im politischen Raum und der deutschen Öffentlichkeit.

Reden und Pressemitteilung zum Download

Hier finden Sie den Grußwort von Uschi Eid, Präsidentin der Deutschen Afrika Stiftung

Hier finden Sie die Laudatio von Claus Stäcker, Präsident der Jury des Deutschen Afrika-Preises

Hier finden Sie die Pressmitteilung und Bildmaterial

TrägerInnen Deutscher Afrika-Preis