KW 23/2021: Boykottiert
Pressespiegel 5.6.2021 bis 11.6.2021

Nigeria sperrt das soziale Netzwerk Twitter

Letzten Freitag gab die nigerianische Regierung bekannt, das soziale Netzwerk Twitter auf unbestimmte Zeit gesperrt zu haben und alle diejenigen, einschließlich der Rundfunksender, die die Plattform weiter nutzen, strafrechtlich zu verfolgen. Die Regierung würde keine Aktionen von Twitter dulden, die die „korporative Existenz“ Nigerias untergraben und hierdurch das Land destabilisieren könnten. Zwei Tage zuvor war ein Tweet des Präsidenten Muhammadu Buhari aufgrund von missbräuchlichem Verhalten gelöscht und sein Benutzerkonto für zwölf Stunden gesperrt worden. Ihm wird vorgeworfen, zu Gewalt gegenüber einer sezessionistischen Bewegung im Südosten des Landes aufgerufen zu haben. Die nigerianische Regierung bestreitet jedoch jeglichen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen. Mehr als 39 Millionen Nigerianerinnen und Nigerianer, also rund 20% der Gesamtbevölkerung, nutzen Twitter um sich politisch zu informieren, aber auch um Proteste u.a. gegen die Regierung zu organisieren. Durch die Sperrung werden aber auch wirtschaftliche Folgen für das westafrikanische Land erwartet, da durch das Eingreifen des Staates die Attraktivität Nigerias als Technologie-Standort leiden könnte. Zudem nutzen gerade junge Bevölkerungsgruppen Twitter als Einkommensquelle, sodass dem Land Schätzungen zufolge pro Tag etwa fünf Millionen Euro verloren gehen. Zwar kann die Sperrung des Zugangs durch ein einfaches Zusatzprogramm, ein Virtuelles Privates Netzwerk (VPN), umgangen werden, die rechtlichen Konsequenzen bleiben hierbei jedoch bestehen. Entsprechend formiert sich im Land zunehmend Widerstand. Neben lokalen Protesten tat sich das Socio-Economic Rights and Accountability Project (SERAP), eine zivilgesellschaftliche Organisation, mit weiteren 176 Bürgerinnen und Bürgern zusammen und reichte gemeinsam Klage bei der ECOWAS ein, um eine Aufhebung des Verbots zu erwirken. Während die EU, das Vereinigte Königreich, Irland, Kanada und die USA sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung gegen die Sperrung von Twitter und der damit verbundenen Einschränkung der Pressefreiheit aussprachen, stellte sich der ehemalige US-Präsident Donald Trump hinter Buhari und rief weitere Länder dazu auf, dem Vorbild Nigerias zu folgen. Seine eigenen Benutzerkonten sowohl auf Twitter als auch auf Facebook waren nach der Stürmung des Kapitols zu Beginn des Jahres gelöscht worden. Am Mittwoch gab die nigerianische Regierung bekannt, Twitter nur unter der Auflage wieder freizuschalten, dass sich das bisher auf dem afrikanischen Kontinent nur in Ghana ansässige Unternehmen offiziell in Nigeria registriere und eine Lizenz von der Rundfunkkommission beantrage.

 

Parlamentswahlen in Algerien 

Am morgigen Samstag wird in Algerien vorzeitig ein neues Parlament gewählt. Zuletzt wurde die Nationale Volksversammlung 2017 unter dem damaligen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika gewählt. Der insgesamt zwanzig Jahre regierende Bouteflika war nach monatelang anhaltendem friedlichem Straßenprotest (bekannt als Hirak, arabisch für „Bewegung“) gegen die politische Stagnation im Land im April 2019 zurückgetreten. Im Dezember 2019 wurde mit Abdelma­djid Tebboune ein neuer Präsident ins Amt gewählt, allerdings blieb die Wahlbeteiligung sehr gering, nachdem nahezu die gesamte politische Opposition im Land zum Boykott der Präsidentschaftswahl aufgerufen hatte. Ähnliches wird nun für die vorgezogene Parlamentswahl, die ursprünglich für Mai 2022 angesetzt war, erwartet. Zwar hatte Tebboune die Nationale Volksversammlung im Februar 2021 aufgelöst und Neuwahlen für den Sommer angekündigt, um auf den steigenden Druck aus der Bevölkerung und eine neue Protestwelle zu reagieren. Progressive Wahlgesetze sollten zudem insbesondere junge Menschen ansprechen und dem Hirak den Wind aus den Segeln nehmen. So soll unter den Kandidatinnen und Kandidaten Geschlechterparität bestehen und unter 40-jährige Kandidaten und Kandidatinnen 2.255 US-Dollar für Wahlkampfausgaben erhalten. Jedoch beklagt die Bevölkerung weiterhin die Dominanz der alten politischen Klasse und des Militärs, weshalb die vergangenen Monate von neuerlichen Protestkundgebungen seitens der Hirak-Aktivistinnen und Aktivisten geprägt gewesen sind. Neben den Forderungen nach einem politischen Neuanfang beklagen die Demonstrantinnen und Demonstranten auch die andauernde wirtschaftliche Not im Land, die sich durch die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie weiter zuspitzt. Auf die anhaltenden Proteste reagieren die algerischen Behörden seit Wochen mit harten Repressalien, wie Ermittlungen gegen Demonstrierende, Parteiverbotsverfahren, Polizeigewalt und Verhaftungen. Vor diesem Hintergrund sehen die Parteien, die eine inhaltliche Nähe zum Hirak aufweisen, die Rahmenbedingungen für eine demokratische Abstimmung nicht gegeben und boykottieren daher geschlossen die Wahlen am kommenden Samstag, wodurch fraglich bleibt, inwieweit die Wahlen zur politischen Stabilisierung des Landes beitragen können.

 

Und sonst?

Eine virtuelle Fotoausstellung zum Thema „Frauen in der afrikanischen Musik“ haben die Plattform Sounds of Africa und der britisch-nigerianische Fotograf Michael Tubes gemeinsam ins Leben gerufen. Das Projekt hat zum Ziel, weibliche Künstlerinnen und diejenigen hinter den Kulissen zu feiern, die sonst oft im Hintergrund stehen. Somit soll das Thema Gleichberechtigung in der afrikanischen Musikbranche beleuchtet werden. Außerdem möchte Tubes, der insgesamt zehn Jahre an dem Projekt arbeitete, auf die vielen Herausforderungen, wie beispielsweise Hasskommentare im Netz, aufmerksam machen, denen afrikanische Musikerinnen häufig ausgesetzt sind. Die diesjährige Ausstellung ist drei Tänzerinnen gewidmet, die im Jahr 2020 verstorben sind: Kodak aus Nigeria, Nicole aus Ghana und Drey aus Kamerun. Wer Interesse hat, kann sich die Ausstellung noch bis Ende dieses Monats unter www.soundsofafrica.org anschauen und ein faszinierendes 3D-Erlebnis genießen.

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