Pressespiegel KW 30/2023: Vom Westen abgewandt?
Pressespiegel 21.7.2023 bis 28.7.2023

Russland-Afrika-Gipfel

Am Donnerstag begann der zweite Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg, zu dem sich Delegationen aus 49 afrikanischen Staaten, darunter auch 17 Staats- und Regierungschefs sowie der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union (AU) Moussa Faki Mahamat, in Putins Heimatstadt einfanden. Zu den angereisten Staatschefs zählen u.a. Ägyptens Präsident Al-Sisi, Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa. Andere regionale Schwergewichte wie Nigerias Präsident Tinubu und Kenias Präsident Ruto wiederum blieben dem Gipfel fern. Allgemein fiel in diesem Jahr die Beteiligung im Vergleich zum Gipfel 2019, an dem 43 Staats- und Regierungschefs teilgenommen hatten, deutlich geringer aus. Grund hierfür ist vor allem der Ausstieg Moskaus aus dem Getreideabkommen, das im vergangenen Jahr unter Vermittlung der Vereinten Nationen (VN) und der Türkei geschlossen wurde und die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gesichert hatte. Dies führte zu heftiger Kritik von den afrikanischen Staaten. Mit der Aussetzung des Abkommens würden der Zugang zu ukrainischem Getreide massiv verschlechtert und somit die Nahrungsmittelpreise in die Höhe getrieben werden, ermahnte z.B. AU-Kommissionsvorsitzender Faki. Entsprechend drängte diese Frage die eigentlichen Themen des Gipfels, nämlich die Handels- und Investitionsförderung, bei denen Russland mit einem aktuellen jährlichen Handelsvolumen von 15 bis 20 Milliarden US-Dollar hinter seinem Versprechen von 2019, das Volumen innerhalb von fünf Jahren auf 40 Milliarden US-Dollar verdoppeln zu wollen, zurückbleibt, in den Hintergrund. Beim Gipfelauftakt am Donnerstag präsentierte sich Präsident Putin als zuverlässiger Lieferant von Nahrungsmitteln nach Afrika und kündigte an, Russland werde ukrainisches Getreide durch russisches ersetzen und Staaten, die besonders von Lebensmittelknappheiten betroffenen seien, kostenlose Getreidelieferungen anbieten. Innerhalb der nächsten drei bis vier Monate sollen insgesamt 25.000 bis 50.000 Tonnen Getreide für Burkina Faso, Eritrea, Mali, Simbabwe, Somalia und die Zentralafrikanische Republik bereitgestellt werden. Des Weiteren werde Russland die AU bei ihrem Vorhaben, ein dauerhaftes Mitglied der G20 zu werden, beim G20-Gipfel in Indien unterstützen, so Putin. Bereits im Vorfeld des Gipfels unterzeichneten am Donnerstag Somalia und Russland zwei Vereinbarungen zur Begleichung der somalischen Schulden bei Russland, die insgesamt mehr als 690 Millionen US-Dollar umfassen. Ein Teil soll nun nach einem neuen Zahlungsplan beglichen werden, die restlichen Schulden wurden erlassen. Im Rahmen des Gipfels fanden auch zahlreiche bilaterale Gespräche zwischen Putin und seinen afrikanischen Amtskollegen statt. In den Gesprächen zwischen Putin und Ägyptens Präsident Al-Sisi ging es Berichten zufolge u.a. um gemeinsame Projekte wie das Kernkraftwerk Al-Dabaa und die russische Industriezone sowie die Zusammenarbeit bei der Entwicklung des Verkehrs- und Eisenbahnsystems. Auch drängte Al-Sisi auf die Wiederaufnahme des Getreideabkommens. Ein weiterer zentraler Punkt des Gipfels bildete die bilaterale militärische Kooperation. So wurden laut Angaben des Kremlchefs mit insgesamt 40 afrikanischen Staaten Abkommen über eine militärtechnische Zusammenarbeit geschlossen, die u.a. Waffenlieferungen sowie die Teilnahme afrikanischer Vertreterinnen und Vertreter an russischen militärtechnischen Foren und Manövern umfassen. Wie u.a. die BBC berichtete, kam es zudem am Rande des Gipfels zu einem Treffen zwischen einem hochrangigen Vertreter der Zentralafrikanischen Republik und Wagner-Chef Prigoschin, dessen Söldnertruppe dort über großen Einfluss verfügt. Es wird erwartet, dass am Freitag noch weitere Abkommen unterzeichnet werden. Unter anderem kündigte Putin an, dass ein Aktionsplan zwischen Russland und der AU über weitere Kooperationen bis zum nächsten Gipfel 2026 beschlossen werden soll. Nach dem offiziellen Teil sind zudem am Freitagabend Gespräche mit den sieben Teilnehmerstaaten der afrikanischen Friedensinitiative geplant, die im Juni dieses Jahres unter der Führung von Südafrikas Präsidenten Ramaphosa für Vermittlungsgespräche im Ukrainekrieg nach Russland und in die Ukraine gereist waren. Auch die Abschlusserklärung des Gipfels wird am heutigen Freitagabend erwartet.

Putsch im Niger

In Niger erklärte sich am Freitag der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, zum Präsidenten des Nationalen Rates und somit zum de facto Regierungschef des westafrikanischen Staates. Erst am Donnerstag hatte das nigrische Militär seine Unterstützung für die Putschisten der Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, die am Vortag Präsident Mohamed Bazoum im Palast festgesetzt und die Regierung für gestützt erklärt hatte, verkündet. Zuvor war die Regierung um Bazoum noch davon ausgegangen, die Putschisten mithilfe der Nationalgarde zurückdrängen zu können. Die Entscheidung des Militärs, sich gegen die demokratische Regierung und an die Seite der Putschisten zu stellen, begründete Generalstabschef Abdou Sidikou Issa mit dem Argument, man habe eine gewaltsame Konfrontation zwischen verschiedenen Kräften vermeiden wollen. Am Mittwochmorgen waren neben dem Präsidentenpalast auch umliegende Ministerien sowie das Gebäude des nationalen Rundfunksenders abgeriegelt worden, auf pro-demokratische Demonstrationen wurde mit Warnschüssen in die Luft reagiert. In der Nacht zum Donnerstag wendeten sich die Putschisten mit einer Fernsehansprache an die Öffentlichkeit und erklärten die Außerkraftsetzung sämtlicher staatlicher Institutionen und die Schließung der Grenzen inklusive des Luftraumes. Zudem verhängten sie bis auf Weiteres eine nächtliche Ausgangssperre. Als Grund für den Putsch nannten sie die anhaltende Verschlechterung der Sicherheitslage und die als schwach empfundene Regierungsführung. Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union (EU), der Vereinten Nationen (VN), der USA, der Afrikanischen Union (AU) und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), verurteilte das Vorgehen der Putschisten. Die VN setzte die humanitäre Hilfe aufgrund der Sperrung des nigrischen Luftraums vorerst aus. Forderungen nach der sofortigen Freilassung des Präsidenten kamen derweil aus der EU, von den VN und aus Russland. Auch Außenministerin Annalena Baerbock schloss sich dieser Forderung an und sicherte bei einem Telefonat mit dem Außenminister der gewählten Regierung, Hassoumi Massoudas, deutsche Unterstützung zu. Der Putsch in Niger, das insbesondere für Deutschland und die EU lange als Stabilitätsanker in der Sahelzone galt, hat nicht nur enorme Auswirkungen auf die regionale Sicherheitslage, sondern vor allem auf das deutsche und europäische Engagement in der Region. So galt die militärische Kooperation mit Niger lange Zeit als Vorzeigeprojekt: 2018 startete die europäische Mission Operation Gazelle, die u.a. mit der Ausbildung von Spezialeinheiten betreut war und auch bei der europäische Ausbildungs- und Trainingsmission Mali (EUTM Mali) nahm Niger eine zentrale Rolle ein. Erst Ende des vergangenen Jahres hatte die EU zudem die European Union Military Partnership Mission in Niger (EUMPM Niger) beschlossen, um die nigrische Armee in den Bereichen Aufklärung, Führung, Sicherung und Schutz beim Vorgehen gegen die in der Region aktiven Terrorgruppen zu unterstützen. Auch Deutschland ist an der Mission, deren Umsetzung Anfang dieses Jahres begonnen hat, beteiligt. Aktuell befinden sich rund 100 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Niger, die laut Angaben der Bundeswehr gemeinsam mit Botschaftsangehörigen im Militärstützpunkt in Sicherheit sind. Der Putsch und die Sperrung des nigrischen Luftraums stellt jedoch auch den Abzug der deutschen Truppen, die im Rahmen der UN-Multidimensional Integrated Stabilisation Mission in Mali (MINUSMA Mali) im Nachbarland stationiert sind, vor enorme Herausforderungen. Nicht nur verläuft die Versorgungen der noch rund 900 Soldatinnen und Soldaten in Mali über den Lufttransportstützpunkt in Niamey, auch ist dieser Dreh- und Angelpunkt für den Abzug von Truppen und Material aus Mali, nachdem das Mandat der MINUSMA Ende Juni per UN-Beschluss beendet wurde. Auf die Frage, wie der geordnete Abzug nun weiterhin gewährleistet werden kann, gibt es noch keine offizielle Stellungnahme von deutscher Seite. Unklar ist zudem, ob von Deutschland ausgebildete Spezialkräfte in den Putsch verwickelt waren, was die lange als Erfolg bewertete militärische Kooperation mit Niger weiter in Frage stellen würde. Die aktuellen Entwicklungen in Niger sind folglich ein schwerer Rückschlag für die Sahel-Strategie der Bundesregierung, die neben der militärischen auch eine zentrale entwicklungspolitische Komponente umfasst. So kündigte Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erst Anfang Mai die Ausweitung des deutschen entwicklungspolitischen Engagements in Westafrika im Rahmen der Sahel-Plus-Initiative an und übernahm Mitte Juli den Vorsitz der Sahel-Allianz (Pressespiegel KW 18/2023).

Und sonst?

Am vergangenen Freitag fand in der Embangweni-Schule für gehörlose Kinder in Malawi zum ersten Mal ein nationaler Spelling Bee-Wettbewerb für gehörlose Kinder statt. Am Wettbewerb, der von der Malawi National Association for the Deaf (MANAD) organisiert und finanziell von der United States Agency for International Development (USAID), World Vision International und der australischen Regierung unterstützt wurde, nahmen insgesamt sechs Schulen für gehörlose Kinder mit je drei Kindern am Wettbewerb teil. Malawi ist nach Botsuana das zweite afrikanische Land, das diese Art von Wettbewerb veranstaltet. Im Rahmen des Wettkampfes kündigte zudem der oberste Bildungsbeauftragte Malawis, Peter Msendema, die Entwicklung des ersten Gebärdensprache-Übungshandbuchs für die Ausbildung von Sonderpädagoginnen und -pädagogen an. Damit plant das Bildungsministerium, die Qualität der Ausbildung des Lehrpersonals und den Zugang zu Bildung für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen zu verbessern.

Neue Podcastfolge von Dialogues with Dee

In ihrer neuesten Podcastfolge spricht unsere Bundeskanzler-Stipendiatin Dambisa Dube mit Sphamandla Mhlongo, Projektmanager beim Democracy Development Program, über die Bedeutung der politischen Bildung jenseits der Wahlurnen und die Rolle, die verschiedene Akteurinnen und Akteure in diesem Bereich spielen müssen. Darüber hinaus beleuchten sie, wie Gemeinden mit den notwendigen „Instrumenten der politischen Bildung“ ausgestattet werden können, um so auch auf junge Menschen ausgerichtete Mechanismen der politischen Bildung zu ergänzen. Hier kann die aktuelle Folge angehört werden.

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