Burkina Faso, Mali und Niger verkünden Austritt aus ECOWAS
Am Sonntag kündigten Burkina Faso, Mali und Niger per Fernsehansprache ihren sofortigen Austritt aus der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) an. In einer gemeinsamen Erklärung begründeten die drei Militärregierungen ihren Schritt mit dem Versagen der ECOWAS, Terrorimus in der Region erfolgreich zu bekämpfen und kritisierten die von der Regionalorganisation verhängten Sanktionen gegen ihre Regime infolge der verfassungswidrigen Machtwechsel als illegal und inhuman. Gleichzeitig warfen sie dem Block vor, die Prinzipien der Gründerväter der ECOWAS verraten zu haben, sich von ausländischen Kräften beeinflussen zu lassen und zum Nachteil ihrer Mitgliedstaaten und deren Bevölkerung zu handeln. Inzwischen wurde die ECOWAS auch offiziell von allen drei Staaten über deren Austritt informiert. Gemäß Artikel 91 des ECOWAS Statuts kann ein Austritt allerdings nur über einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen. Der Schritt der drei Militärregierungen kommt nicht überraschend. Trotz Verhandlungsbemühungen über eine Wiederaufnahme der Staaten in die Wirtschaftsgemeinschaft nach deren Suspendierung infolge von Putschen verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den Juntas und der Regionalorganisation kontinuierlich. Grund hierfür waren vor allem die harten Sanktionen, insbesondere gegen Mali und Niger. Die Fronten verhärteten sich zudem weiter, nachdem die ECOWAS unter dem Vorsitz von Nigerias Präsident Bola Tinubu Niger nach dem Putsch im Juli 2023 mit einer militärischen Intervention drohte, sollte Nigers demokratisch gewählter Präsident Mohamed Bazoum nicht wieder eingesetzt werden (Pressespiegel KW 30/2023). Burkina Faso und Mali kündigten daraufhin an, das Nachbarland im Fall einer Militärintervention der ECOWAS militärisch zu unterstützen. Im September vergangenen Jahres gründeten Burkina Faso, Mali und Niger zudem die sog. Allianz der Sahel-Staaten (Alliance des États du Sahel, AES), um die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken, nachdem man zuvor gemeinsam aus dem von Frankreich unterstützten Militärbündnis G5-Sahel ausgetreten war (Pressespiegel KW 38/2023). Zuvor war man gemeinsam aus dem von Frankreich unterstützten Militärbündnis G5-Sahel ausgetreten. Erst am vergangenen Donnerstag war zudem ein geplantes Verhandlungstreffen zwischen einer ECOWAS Delegation und Vertreterinnen und Vertretern der Militärregierung Nigers in der nigrischen Hauptstadt Niamey geplatzt. Nigers Premierminister Ali Lamine Zeine warf der ECOWAS hierauf Böswilligkeit vor, diese wiederum rechtfertigte das Nichterscheinen der Delegation mit einem technischen Defekt am Flugzeug. Auf die öffentliche Austrittsbekundung Burkina Fasos, Malis und Nigers hin betonte die ECOWAS in einer Stellungnahme am Sonntag, dass sie sich weiterhin für eine Verhandlungslösung mit allen drei Ländern einsetzen werde. Moussa Faki Mahamat, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union (AU), rief beide Seiten zum Dialog auf und bot die Unterstützung der AU an. In der Bevölkerung der drei Sahelstaaten gab es unterdessen vor allem unter der radikalen Anhängerschaft große Zustimmung für das Verlassen der Regionalorganisation. Am Sonntag wurde u.a. in Nigers Hauptstadt der Austritt auf den Straßen gefeiert. Geschäftsleute äußerten sich hingegen besorgt, denn ein tatsächlicher Austritt hätte weitreichende wirtschaftliche Folgen. Innerhalb der ECOWAS gilt freier Personen- und Warenverkehr – ein Austritt würde entsprechend auch die Wiedereinführung der Visumspflicht und von Handelszöllen mit sich bringen, was wiederum zu einer Verteuerung von Konsumgütern in den drei Binnenstaaten führen würde. Zahlreiche Menschen könnten mit dem Austritt zudem ihre Jobs verlieren. Burkina Faso stellt beispielsweise rund 15% der Gesamtbelegschaft der ECOWAS. Gleichzeitig können Burkina Faso, Mali und Niger ab sofort nicht mehr auf Finanzmittel der regionalen Entwicklungsbank EBID (ECOWAS Bank for Investment and Development) zurückgreifen. Fraglich ist nach dem Rückzug aus der ECOWAS zudem der Verbleib der drei in der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA), die die gemeinsame, an den Euro gekoppelte Währung des CFA-Franc, nutzt. Während Malis Außenminister Abdoulaye Diop am Donnerstag bestätigte, man werde auch weiterhin in der UEMOA bleiben, hatte Burkina Fasos de facto Regierungschef Ibrahim Traoré bereits angedeutet, man werde einen Rückzug aus der Währungsunion in Erwägung ziehen. Auch für die ECOWAS sind die Folgen des Austritts enorm, galt die Regionalorganisation mit ihren 15 Mitgliedern lange Zeit als das Erfolgsmodell regionaler wirtschaftlicher Integration in Afrika. Mit dem Rückzug von Burkina Faso, Mali und Niger – alles drei Gründungsmitglieder der Regionalorganisation – wird nun jedoch die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der ECOWAS, die bereits unter sechs Staatsstreichen innerhalb von drei Jahren gelitten hatte, weiter beeinträchtigt. Darüber hinaus ist der Rückzug der drei Sahelstaaten aus der Regionalorganisation auch ein Rückschlag für Deutschland und die EU im Konkurrenzkampf mit Russland um Einfluss in der Region. Die Sicherheitslage in den Sahelstaaten ist weiterhin volatil und mit dem Rückzug aus der ECOWAS wird man sich nach neuen Partnern umschauen müssen. Alle drei Staaten haben bereits eine militärische Zusammenarbeit mit Russland – ob und in welchem Umfang diese nun ausgeweitet wird, bleibt abzuwarten.
Italien-Afrika-Gipfel in Rom
Am Montag lud Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni zum Italien-Afrika-Gipfel in den Palazzo Madame, den Sitz des italienischen Senats, in Rom ein. Ziel des Gipfels war die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Italien, das in diesem Jahr den G7-Vorsitz innehat, und dem Nachbarkontinent, insbesondere in den Bereichen Migration, Energiesicherheit und Landwirtschaft. An dem eintägigen Gipfeltreffen nahmen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus insgesamt 46 afrikanischen Staaten, darunter auch Kenias Präsident William Ruto, der ghanaische Präsident Nana Akufo-Addo und Senegals Präsident Macky Sall, sowie der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, teil. Ebenfalls vertreten waren die Europäische Union (EU) mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sowie die Vereinten Nationen (UN) und internationale Finanzinstitutionen. Meloni nutzte den Gipfel, um eine Reihe von Pilotprojekten im Rahmen des sog. Mattei-Plans ihrer Regierung vorzustellen, der die Grundlage für eine neue, gleichberechtigte Partnerschaft mit Afrika für gemeinsames Wachstum legen soll. Mithilfe dieses Plans soll die Wirtschaft in afrikanischen Ländern angekurbelt, Arbeitsplätze geschaffen und so Migration aus Afrika nach Italien eingedämmt werden. Benannt nach Enrico Mattei, dem Gründer des staatlichen Energieunternehmens ENI, sollen für die Umsetzung des Plans zunächst 5,5 Milliarden Euro einschließlich staatlicher Garantien und Kredite, davon 3 Milliarden Euro aus Italiens Klimafonds und 2,5 Milliarden Euro aus einem neu gegründeten multilateralen Fonds bei der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) bereitgestellt werden. Der Mattei-Plan, den Meloni bereits kurze Zeit nach ihrer Wahl im Oktober 2022 und somit nur einige Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine angekündigt hatte, legt einen besonderen Fokus auf Zusammenarbeit im Energiesektor. So soll Italien zum Energie-Hub für Gas- und Wasserstofflieferungen aus Afrika nach Europa werden, um dadurch die Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen weiter zu reduzieren. In Marokko soll hierfür ein Ausbildungszentrum für erneuerbare Energien entstehen, während im tunesischen Zarzis laut Informationen aus italienischen Diplomatenkreisen ein Pilotprojekt zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant sei. Auch das Thema Migration spielte beim Gipfel eine wichtige Rolle. Hier setzt Meloni auf die Bekämpfung von Fluchtursachen, um illegale Migration einzudämmen. So sieht der Mattei-Plan auch Zusammenarbeit im Bildungs-, Gesundheits- sowie im Landwirtschaftssektor vor. Zu den beim Gipfel vorgestellten Pilotprojekten zählen u.a. mehrere Bildungseinrichtungen in Tunesien sowie Gesundheitszentren in der Côte d’Ivoire. Darüber hinaus warb Meloni für eine Ausweitung des von Italien initiierten Migrationsabkommens der EU mit Tunesien auf Länder wie Ägypten und Libyen. Tunesien erhält hierbei Entwicklungsgelder von der EU und kontrolliert im Gegenzug Migration nach Europa. Die afrikanische Seite zeigte sich beim Gipfel eher zurückhaltend und äußerte sich zum Teil kritisch. So betonte Moussa Faki Mahamat, afrikanische Staaten hätten genug von leeren Versprechungen und kritisierte deren Nichtbeteiligung an der Ausarbeitung des Mattei-Plans. Kritik gab es zudem auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie von der italienischen Opposition, die eine separat stattfindende Pressekonferenz organisierte, in der sie den Mattei-Plan als leere Hülle bezeichnete und der Regierung Neokolonialismus vorwarf. Migration werde auch beim kommenden G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Mitte Juni in Apulien eines der großen Themen sein, kündigte Meloni am Montag an und versicherte, dass Afrika beim Gipfeltreffen einen „Ehrenplatz“ erhalten werde. Meloni und ihre ultrarechte Partei Fratelli d’Italia stehen zurzeit innenpolitisch unter Druck, da die Eindämmung von illegaler Migration eines ihrer zentralen Wahlkampfversprechen darstellte, im vergangenen Jahr jedoch mit 160.000 Menschen mehr Geflüchtete als jemals zuvor über das Mittelmeer in Italien ankamen. Entsprechend zählt die Umsetzung des Mattei-Plans, mit der sie ihr eigenes Büro beauftragt hat, zu den außenpolitischen Prioritäten der Regierung.
Und sonst?
In der tunesischen Hauptstadt Tunis wird seit einer Woche die Ausstellung „Et Si Carthage“ („And what if Carthage…“) des tunesischen Künstlers Nidhal Chamekh gezeigt. Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf ein Gedicht des französischen Philosophen Édouard Glissant, in dem dieser das Gedankenspiel durchführt, was aus der Stadt Karthago hätte werden können, wäre sie nicht im 2. Jahrhundert durch die Römer zerstört worden. Chamekh projiziert diese Geschichte künstlerisch über Collagen, Skulpturen und Masken auf aktuellere Episoden, wie den transatlantischen Sklavenhandel und die Flucht vieler heutiger Nordafrikanerinnen und Nordafrikaner nach Europa. Ermöglicht wird die Ausstellung durch die tunesische Gründerin und Direktorin Selma Feriani, die die 800 Quadratmeter große Galerie kürzlich eröffnete, um Nordafrikas moderne Kunstszene und seine Talente stärker ins Scheinwerferlicht der globalen Bühne zu rücken. “Et Si Carthage” ist die erste Ausstellung der Galerie und kann noch bis zum 7. April besichtigt werden.
Veranstaltungshinweis
Am kommenden Freitag startet die Ausstellung FeEd Me NoT in der Artco Gallery in Berlin. Mit ihren Arbeiten, die zum Teil aus Elektroschrott, Sperrmüll oder alten Flip Flops bestehen, hinterfragen die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler, Jana Heinemann (Deutschland), Natisa Exocé Kasongo (Frankreich), Maurice Mbikayi (Demokratische Republik Kongo), Selva (Argentinien), Patrick Tagoe-Turkson (Ghana) und Martin Wöllenstein (Deutschland) die Beziehung der heutigen Gesellschaft zu Materialien, Informationen und Emotionen. Die Ausstellung soll so zur Reflexion über globale Lieferketten, die Überproduktion von Plastik und unsere Verantwortung für den Planeten anregen. Das Pre-Opening findet bereits am kommenden Dienstag um 15:00 Uhr statt. Hier lädt Jana Heinemann im Rahmen der Berlin Fashion Week mit ihrem Modelabel IMPARI zu einer Fashion Show ein. Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.