Pressespiegel KW 9/2024: Von Verlusten und Versöhnung
Pressespiegel 23.2.2024 bis 1.3.2024

Unruhen im Tschad nach Ankündigung von Wahlen

Am Mittwoch wurde der Vorsitzende der tschadischen Oppositionspartei Parti Socialiste sans Frontières (PSF), Yaya Dillo Djérou, bei einem Schusswechsel mit Sicherheitskräften der Militärregierung in der Nähe der PSF-Parteizentrale getötet. Dies teilten der tschadische Staatsanwalt Oumar Mahamat Kedelaye und der Kommunikationsminister Abderaman Koulamallah am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit. Die Zentrale der PSF war am Mittwoch vom Militär umstellt worden, nachdem es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zu einem Angriff auf die Nationale Sicherheitsbehörde (ANSE) kam, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen und für den die staatlichen Sicherheitskräfte Dillos Partei verantwortlich machten. Neben Dillo wurden bei dem Schusswechsel laut Behörden 12 weitere Menschen getötet. In weiten Teilen des Landes wurde die Internet- und Telefonverbindung unterbrochen, wie u.a. der Internet-Überwachungsdienst Netblocks berichtete. Bereits am Dienstag kam es nach Aussagen der Regierung zur Verhaftung des Finanzsekretärs der PSF, Ahmed Torabi, dem ein Attentatsversuch auf den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Samir Adam Annour, vorgeworfen wurde. Die PSF-Parteiführung, darunter auch Dillo vor seinem Tod, wies diese Berichte der Regierung als Lüge und das Attentat als Inszenierung zurück. Demnach sei Torabi am Dienstag erschossen und seine Leiche in der ANSE abgelegt worden. Parteimitglieder und Angehörige hätten anschließend in der Behörde nach der Leiche gesucht, woraufhin Soldatinnen und Soldaten auf sie geschossen und mehrere Menschen getötet hätten. Vorausgegangen war diesen Ereignissen die überraschende Ankündigung der tschadischen Wahlbehörde am Dienstag, die Präsidentschaftswahlen, die bislang für Oktober dieses Jahres geplant waren, nun auf den 6. Mai festzulegen; die zweite Runde solle im Juni stattfinden. Die Wahlen würden auch die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung und das Ende des politischen Übergangs darstellen, der 2021 nach dem Tod des Langzeitpräsidenten Idriss Déby begonnen hatte (Pressespiegel KW 16/2021). Mahamat Idriss Déby hatte nach dem Tod seines Vaters die Amtsgeschäfte übernommen und steht seither an der Spitze der tschadischen Übergangsregierung. Eine Liste der Präsidentschaftskandidatinnen und -kandidaten soll am 24. März vom Verfassungsrat veröffentlicht werden, verkündete die Wahlbehörde. Mit dem Tod von Dillo, der nicht nur Débys Cousin, sondern auch sein bekanntester politischer Rivale war, wird nun eine prominente Oppositionsfigur auf dem Stimmzettel fehlen. Die Kandidatur von Déby, der zwar in der Vergangenheit etwa gegenüber der Afrikanischen Union versichert hatte, nicht bei den Präsidentschaftswahlen antreten zu wollen, gilt inzwischen als gesetzt. So erklärte im Januar die regierende Partei Patriotic Salvation Movement (MPS) Déby zu ihrem Präsidentschaftskandidaten und auch eine Gruppe tschadischer Oppositionsführer verkündete ihre Unterstützung für den Übergangspräsidenten. Ob die Wahl nach den Unruhen nun weiterhin wie geplant im Mai stattfinden wird, bleibt abzuwarten.

Steinmeier nimmt an Beisetzung des namibischen Präsidenten Geingob teil

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist am Wochenende in die namibische Hauptstadt Windhuk gereist, um an den Trauerfeierlichkeiten für den Anfang Februar verstorbenen namibischen Staatspräsidenten Hage Geingob teilzunehmen (Pressespiegel KW 6/2024). Bei der Trauerfeier am Samstag, die im Independence Stadium stattfand, würdigte der Bundespräsident Geingob als „großen Staatsmann“ und hob dessen Verdienste im Aussöhnungsprozess zwischen Namibia und der Bundesrepublik Deutschland hervor. Geingob werde in Deutschland „für immer in Erinnerung bleiben, weil er den Mut hatte, dem deutschen Volk über den dunklen Abgrund unserer Geschichte hinweg die Hand zu reichen“. Steinmeier erinnerte an den „Abgrund der Gräueltaten, die von Deutschen während der Kolonialherrschaft begangen wurden und in den Völkermord an den Volksgruppen der Ovaherero und Nama vor 120 Jahren mündeten“. Das heutige Namibia war von 1884 bis 1915 unter dem Namen „Deutsch-Südwestafrika“ deutsche Kolonie. In dieser Zeit wurden schätzungsweise 100.000 Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama ermordet und viele Tausende in Konzentrationslagern interniert. 2021 einigten sich Regierungsvertreterinnen und -vertreter aus Deutschland und Namibia auf ein Versöhnungsabkommen. Dieses sieht vor, dass Deutschland über einen Zeitraum von 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro an Entwicklungs- und Wiederaufbauhilfe an Namibia zahlt. Mit dem Abkommen werden die deutschen Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama aus heutiger Sicht als Völkermord und somit zwar im historischen, nicht aber im völkerrechtlichen Sinne anerkannt. Aus dem Abkommen können daher keine Rechtsansprüche auf Wiedergutmachung oder Reparationszahlungen abgeleitet werden. Die “Gemeinsame Erklärung”, wie das Versöhnungsabkommen genannt wird, stieß bei verschiedenen Organisationen der beiden Volksgruppen auf Protest und wurde bis heute nicht unterzeichnet. Bei der Gedenkfeier betonte Steinmeier erneut den Willen Deutschlands, das Versöhnungsabkommen zum Abschluss bringen zu wollen. Er hoffe, bald erneut nach Namibia zu reisen, um das namibische Volk offiziell um Entschuldigung zu bitten. Nach der Trauerfeier am Samstag fand am Sonntag die Beisetzung Geingobs auf dem „Acker der Helden“ außerhalb Windhuks statt, an der auch Steinmeier teilnahm. Es war die erste Reise eines deutschen Staatsoberhauptes nach Namibia seit 26 Jahren.

 

Neue Etappe der Annäherung zwischen Marokko und Frankreich

Der französische Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten, Stéphane Séjourné, ist am Montag von seinem marokkanischen Amtskollegen, Nasser Bourita, zu bilateralen Gesprächen in Rabat empfangen worden. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz betonten die beiden Außenminister, man wolle die jüngsten diplomatischen Krisen zwischen Frankreich und Marokko gemeinsam überwinden und eine neue Partnerschaft einleiten. Ein zentrales Gesprächsthema stellte die Westsahara-Frage dar (Pressespiegel KW 47/2020. Hier betonte Séjourné, der seit etwas mehr als einen Monat im Amt ist, Paris unterstützte klar und dauerhaft den von Rabat 2007 vorgeschlagenen Autonomieplan für die Westsahara. Frankreich wisse, dass die Frage um den Status der Westsahara eine existenzielle für Marokko sei und er werde sich persönlich dafür einsetzen, hier Fortschritte zu erzielen. Der Besuch Séjournés ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Annäherung zwischen Frankreich und dem Maghreb-Staat, nachdem die diplomatischen Beziehungen lange Zeit auf Eis lagen. Zu Spannungen führte u.a. Emmanuel Macrons Politik der Annäherung gegenüber Algerien, das in der Westsahara die Unabhängigkeitsbestrebungen der Frente Polisario unterstützt und 2021 seine diplomatischen Beziehungen zu Marokko abbrach. Bei seinem Besuch in Rabat sprach Séjourné nun eine Einladung an die marokkanischen Ministerinnen und Minister nach Paris aus, um die Gespräche fortzuführen. Bereits am vergangenen Montag hatte Frankreichs First Lady Brigitte Macron die Schwester des marokkanischen Königs Mohammed VI. im Élysée-Palast empfangen, eine Geste, die in Marokko besonders geschätzt wurde.

 

Und sonst?

Am Montag wurde die Große Moschee von Algier, die auch unter dem Namen Djamaa El-Djazair bekannt ist, offiziell von Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune eingeweiht. Mit einer Höhe von 265 Metern und einer Fläche von 27,75 Hektar ist sie die drittgrößte der Welt und die größte Afrikas. Der Gebetsraum bietet Platz für 120.000 Gläubige. Ihr modernistisches Design enthält arabische und nordafrikanische Ornamente. Der Bau der Moschee galt lange Zeit als politisch umstritten. Ursprünglich war sie ein Projekt des ehemaligen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika, der die Moschee als sein Vermächtnis geplant hatte und nach sich benennen wollte. Nach über sieben Jahren Bauzeit, zahlreichen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen konnte das Gebetshaus, dessen Bau rund 900 Mio. US-Dollar gekostet hat und von einer chinesischen Baufirma ausgeführt wurde, nun offiziell vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan eröffnet werden.

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