KW 51/2022: Rückschritte und Fortschritte
Pressespiegel 16.12.2022 bis 23.12.2022

Parlamentswahlen in Tunesien

Am vergangenen Samstag fanden in Tunesien Parlamentswahlen statt. Nach offiziellen Angaben der Wahlbehörde Instance Supérieure Indépendante pour les Élections (ISIE) nahmen nur 11,22% der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger an der Wahl teil. Präsident Kais Saieds Legitimität wird somit zunehmend in Frage gestellt. Oppositionsparteien boykottierten die Wahlen und forderten den Präsidenten zum Rücktritt auf. Auch die mächtige und größte Gewerkschaft im Land Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) nannte die Parlamentswahl wenig sinnvoll. Kritiker werfen Saied vor, er würde die seit dem arabischen Frühling erzielten demokratischen Fortschritte rückgängig machen und das Land zurück in eine Autokratie führen. Bereits im Juli 2021 hatte der Präsident die Regierung entlassen und die Arbeit des Parlaments ausgesetzt (siehe Pressespiegel KW 30/2021). Auch das Verfassungsreferendum vom 25.Juli war ein weiterer Schritt in Richtung Machtausbau (siehe Pressespiegel KW 25/2022), denn seit der Einführung einer neuen Verfassung kann der Staatschef auch ohne Zustimmung des Parlaments die Regierung und auch Richterinnen und Richter ernennen und entlassen. Bei den Parlamentswahlen am Samstag konnten sich nur 21 Kandidaten durchsetzen. Für den 20. Januar 2023 ist daher eine Stichwahl angesetzt, die 131 der insgesamt 161 Wahlkreise betreffen wird. Die endgültigen Ergebnisse werden am 3. März 2023 bekanntgegeben. Trotz des Aufrufs der Oppositionsparteien und der UGTT zu Massenprotesten kam es bisher nicht dazu. Der massive Wahlboykott zeigt jedoch die steigende Unzufriedenheit der tunesischen Bevölkerung, die unter einer Finanzkrise, Inflation, Arbeitslosigkeit und einem Mangel an Grundnahrungsmitteln leidet. Um sich für den Internationalen Währungsfond (IWF) qualifizieren zu können, der einen dringend benötigten Kredit von 1,9 Mrd. Dollar auf frühestens Januar verschoben hat, versucht das Land u.a. die Subventionen für Brot einzuschränken und öffentliche Ausgaben erheblich zu kürzen, was die Bevölkerung voraussichtlich weiter belasten wird. Auch die internationalen Reaktionen fallen skeptisch aus. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten distanzieren sich zunehmend von Saied. Die USA kündigten an, ihre zivile und militärische Hilfe für das nordafrikanische Land im nächsten Jahr um die Hälfte zu kürzen.

Engere Partnerschaft zwischen Deutschland und Nigeria

Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth reisten am Sonntag für einen dreitägigen Besuch nach Nigeria. Die Kooperation zwischen Deutschland und dem westafrikanischen Land soll vor allem im Hinblick auf die Eindämmung der Klimakrise vertieft werden. Als größte Demokratie Afrikas sei Nigeria ein Land, welches internationales Gewicht habe und somit ein wichtiger Kooperationspartner für Deutschland sein könne, so die Ministerin. Nigeria sei derzeit noch ein großer CO2-Emittent und Exporteur fossiler Brennstoffe, weshalb eine Energiewende für das Land von zentraler Bedeutung sei. Auch im Kampf gegen den islamistischen Terror sicherte Deutschland weitere Unterstützung zu. Während ihrer Reise besuchte die Außenministerin auch den Nordosten des Landes, um sich ein Bild vom Wiederaufbau einiger Dörfern zu machen, die durch die Miliz Boko Haram zerstört worden waren. Die Bundesregierung strebt aber nicht nur eine engere Partnerschaft mit Nigeria an, sondern möchte ebenfalls die Kolonialgeschichte aufarbeiten. Am Dienstag wurden unter anderem bei einer feierlichen Übergabe 20 Benin-Bronzen zurückgegeben, die infolge der Kolonialisierung durch Großbritannien entwendet worden waren und lange Zeit zu den Beständen mehrerer deutscher Museen gehörten. Deutschland ist allerdings nicht das einzige Land, das die Aufarbeitung der Kolonialzeit als wichtigen Schritt erachtet. Bereits am Montag entschuldigte sich der niederländische Premierminister Mark Rutte offiziell im Namen seines Landes für die Rolle der Niederlande in der Geschichte der Sklaverei. In einer Regierungserklärung sprach er sich für die deutliche Anerkennung des Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus und kündigte an, es werde ein Fonds in Höhe von 200 Mio. Euro eingerichtet, um das Bewusstsein für die Vergangenheit zu schärfen und die Auswirkungen der Sklaverei in der Gegenwart zu bekämpfen. Diese Geste 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei in den niederländischen Kolonien geht auf den Bericht einer Kommission aus dem Jahr 2021 zurück, in dem diese der Regierung eine offizielle Entschuldigung empfohlen und die Bekämpfung von Folgen wie Rassismus nahegelegt hatte.

Und sonst?

Côte d’Ivoire steht kurz vor der Einweihung eines ersten Solarkraftwerks, wie der Direktor des staatlichen Stromversorgers CIE, Noumy Sidibé, ankündigte. Dies soll etwa 30.000 Haushalte versorgen und zur Schaffung von 300 Arbeitsplätzen beitragen. Das westafrikanische Land hat großes Potential für erneuerbare Energien; 7.000 weitere grüne Energieprojekte sind derzeit am Laufen, die zur Energiewende beitragen sollen. Mit der Einweihung des ersten Solarkraftwerks wird deutlich, dass der Stromversorger auf eine Diversifizierung bei der Energieerzeugung setzt. Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis 2030 bei 42% liegen. Die deutsche Entwicklungsbank KfW steuert dem Projekt 27 Mio. Euro bei und auch die Europäische Union beteiligt sich mit 9.7 Mio. Euro daran. Das Projekt ist Teil des Compact with Africa Initiative der G20-Länder, welche darauf abzielt, private Investitionen in die Entwicklung erneuerbarer Energien in Afrika zu fördern.

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