Pressespiegel KW 14/2024: Verfassung im Fokus
Pressespiegel 28.3.2024 bis 5.4.2024

Parlament in Somalia verabschiedet Verfassungsänderungen – Puntland zieht sich vorläufig aus Föderalstaat zurück

Das somalische Parlament hat am Samstag einstimmig Änderungen an den ersten vier Kapiteln der 2012 beschlossenen Übergangsverfassung des Landes zugestimmt. Die halb-autonome somalische Region Puntland zog daraufhin am Sonntag ihre Anerkennung der föderalen Regierung vorläufig zurück und forderte ein vollständiges Referendum über geplante Änderungen der Verfassung. Die Verfassungsreform war ein zentrales Wahlkampfversprechen des Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und wurde dem Zweikammer-Parlament von der Independent Constitutional Review and Implementation Commission (CRIC) im Februar vorgelegt. Laut der Regierung verfolgen die Verfassungsänderungen das Ziel, das bislang durch Clan-Rivalitäten und politische Fragmentierung gekennzeichnete Land zu stabilisieren und den langwierigen Konflikt zwischen Präsidenten- und Premierministeramt zu entschärfen. Im Mai 2023 wurde diesbezüglich eine Vereinbarung zwischen der Regierung und Vertreterinnen und Vertretern der Bundesstaaten erzielt, welche die Reform einleitete (Pressespiegel KW 22/2023). Konkret sehen die jetzt beschlossenen Verfassungsänderungen die Wiedereinsetzung eines Präsidialsystems mit allgemeinen und direkten Wahlen vor, das nach der Machtübernahme des Diktators Siad Barré 1969 aufgehoben worden war. Der Präsident soll dadurch nicht mehr wie bislang durch das Parlament, sondern direkt von der Bevölkerung gewählt werden. Zudem kann der Präsident den Premierminister selbstständig ernennen und absetzen, wobei er nicht mehr wie bislang auf eine Vertrauensabstimmung durch das Parlament angewiesen ist. Damit verbunden ist auch die Abschaffung des derzeit bestehenden Modells der Machtverteilung, bei dem den vier größten Clans des Landes eine gleichberechtigte Vertretung im Parlament zukommt. Weitere Änderungen umfassen die Herabsetzung der Volljährigkeit („age of maturity“) von 18 auf 15 Jahre, die Umbenennung von regionalen „Präsidenten“ in regionale „Anführer“ und die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von vier auf fünf Jahre. Verschoben wurde hingegen die Entscheidung über die vorgeschlagenen Religionsbestimmungen.

Die Annahme der Verfassungsänderungen rief heftige Kritik hervor, wobei insbesondere darauf verwiesen wurde, dass Präsident Mohamud mit der Reform die eigene Macht ausdehne und seine Amtszeit um ein Jahr verlängere. So erklärte die seit 1998 halb-autonome Region Puntland am Sonntag, die Regierung in Mogadischu habe durch die Änderungen die bislang geltende Übergangsverfassung aufgekündigt und eigenmächtig durch eine neue ersetzt. Dadurch gelte in Puntland nun die Regionalverfassung von 2009, welche es Puntland erlaube, sich unabhängig zu regieren, solange die föderale Verfassungsreform nicht in einem landesweiten Referendum angenommen wurde. In einer separaten Erklärung am Samstag kritisierte eine Gruppe einflussreicher somalischer Politikerinnen und Politiker, darunter die ehemaligen Premierminister Hassan Ali Khaire und Omar Abdirashid Ali Sharmarke, den Präsidenten Mohamud scharf für die Verfassungsänderung. Auch die ehemaligen Präsidenten Sharif Sheikh Ahmed (2009-2012) und Mohamed Abdullahi Mohamed (genannt „Farmaajo“) (2017-2022) warnten, die Änderungen könnten das fragile Machtgleichgewicht im Land stören. International sorgte insbesondere die Herabsetzung der Volljährigkeit auf 15 Jahre, während das Alter für Strafmündigkeit weiterhin bei 18 Jahren liegen soll, für Kritik. So warnte Human Rights Watch bereits am Freitag vor der Annahme des Entwurfs, dass dieser den verfassungsmäßigen Schutz von Kindern schwäche und Mädchen einem größeren Risiko der Kinderheirat sowie der Genitalverstümmelung aussetze. Die Annahme der Reform stünde im Widerspruch zu den Verpflichtungen Somalias im Rahmen der Convention on the Rights of the Child der Vereinten Nationen, die Kinder als unter 18-jährig definiert.

Die Ankündigung Puntlands sowie die breite Kritik an der Reform reihen sich für Präsident Mohamud in eine Liste politischer Probleme ein. So spitzten sich im Januar die Spannungen zwischen Somalia und dem de facto autonomen Staat Somaliland, der sich 1991 einseitig für unabhängig erklärt hatte, nach einem Hafen-Abkommen zwischen Äthiopien und Somaliland zu (Pressespiegel KW 2/2024). Am Donnerstag verwies Somalia den äthiopischen Botschafters des Landes und schloss das äthiopische Konsulat in Puntland, nachdem Repräsentantinnen und Repräsentanten der semi-autonomen Region zu einem Treffen nach Addis Abeba gereist waren. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die vorübergehende Abspaltung Puntlands auf die für den 30. Juni angesetzten Kommunalwahlen, bei denen erstmals die neue Verfassung das Wahlverfahren bestimmen soll, haben wird.

 

Südafrikas Wahlkommission schließt Zuma von der Wahl aus – MK-Partei legt Einspruch ein

Am Dienstag legte die Partei uMkhonto We Sizwe (MK) Einspruch gegen den Ausschluss von Südafrikas ehemaligem Präsidenten Jacob Zuma von den allgemeinen Wahlen am 29. Mai dieses Jahres durch die Unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) ein. Zuvor hatte die IEC vergangenen Donnerstag verkündet, dass Zuma gemäß Artikel 47 (e) der südafrikanischen Verfassung nicht bei den kommenden Wahlen antreten dürfe. Der Artikel besagt, dass Personen, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 12 Monaten ohne die Möglichkeit einer Geldstrafe verurteilt wurden, keine öffentlichen Ämter für einen Zeitraum von fünf Jahren bekleiden dürfen.

Zuma war im Juli 2021 zu 15 Monaten Haft verurteilt worden, nachdem er sich geweigert hatte, vor einer Justizkommission zu erscheinen, die Korruptionsvorwürfe aus seiner Amtszeit zwischen 2009 und 2018 untersuchte. Seine Inhaftierung löste landesweite Unruhen aus, bei denen mehr als 300 Menschen ums Leben kamen (Pressespiegel KW 28/2021). Nach nur zwei Monaten wurde Zuma aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gefängnis entlassen und verbüßte den Rest seiner Strafe unter Hausarrest. Ein Berufungsgericht entschied später, dass Zumas vorzeitige Freilassung unrechtmäßig gewesen sei und ordnete seine erneute Inhaftierung an (Pressespiegel KW 50/2021). Am 11. August 2023, nach weniger als zwei Stunden Haft, wurde Zuma jedoch wieder freigelassen, da er von einer Amnestieregelung für gewaltlose Straftäterinnen und -täter, die Präsident Cyril Ramaphosa bewilligt hatte, profitierte.

Die Anwälte von Zuma argumentierten in ihrer Berufungsbegründung am Dienstag derweil, dass Zuma wegen Missachtung des Gerichts und nicht wegen eines Verbrechens verurteilt worden sei, was ihrer Meinung nach einer zivilrechtlichen Angelegenheit gleichkomme und somit nicht unter Artikel 47 der Verfassung falle. Darüber hinaus liege es nicht im Kompetenzbereich der IEC, den Verfassungsabschnitt umzusetzen – dies obliege alleine der Nationalversammlung. Der MK seien zudem vor dem Beschluss der IEC am 28. März nicht schriftlich die Gründe für den Einspruch gegen Zumas Teilnahme an der Wahl mitgeteilt worden. Die MK warf der IEC außerdem Befangenheit in ihrer Entscheidung vor. Der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission, Mosotho Moepya, betonte jedoch, dass die Entscheidung, den ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma von der Kandidatenliste der Partei zu streichen, im Einklang mit der Verfassung stehe.

In Südafrika finden am 29. Mai Parlaments- und Regionalwahlen statt und der seit Ende der Apartheid regierende African National Congress (ANC) droht zum ersten Mal unter die 50% zu rutschen, womit die Bildung einer Regierungskoalition nötig wäre. Grund für die schlechten Umfrageergebnisse sind u.a. die schwache Wirtschaft, aber auch Vorwürfe wegen Missmanagement und Korruption gegen die Regierungspartei. Erst am Mittwoch war die ANC-Politikerin und Sprecherin der südafrikanischen Nationalversammlung, Nosiviwe Mapisa-Nqakula, von ihrem Amt zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft ihr vorgeworfen hatte, während ihrer Amtszeit als Verteidigungsministerin (2012-2021) Bestechungsgelder von einer ehemaligen Militärfirma angenommen zu haben. Trotz ihres Rücktritts bestreitet sie die Vorwürfe. Mit der Gründung der linkspopulistischen Partei MK im Dezember vergangenen Jahres sowie der Ankündigung von Jacob Zuma, bei den nächsten Parlamentswahlen nicht mehr den ANC – hier gibt es schon seit geraumer Zeit interne Machtkämpfe -, sondern die MK im Wahlkampf zu unterstützen, geriet die Regierungspartei weiter unter Druck. Als Reaktion darauf wurde der 81-Jährige am 29. Januar vom ANC suspendiert. Seither ist Zuma das Gesicht der MK und spielt im Wahlkampf eine zentrale Rolle. Insbesondere in seiner Heimatprovinz KwaZulu-Natal, aber auch in Gauteng, der bevölkerungsreichsten Provinz Südafrikas, erfährt Zuma weiterhin große Unterstützung. Eine im Februar veröffentlichte Umfrage der Social Research Foundation (SRF) ergab, dass sich mehr als 60% der Wählerinnen und Wähler in KwaZulu-Natal – und hier mindestens 70% der Schwarzen Wählerinnen und Wähler – für die MK entscheiden würden, wenn sie die Wahl zwischen dieser und dem ANC hätten. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Markdata vom März kommt der ANC landesweit derzeit auf 41% Prozent der Stimmen, die MK auf rund 11%. Die größte Oppositionspartei Südafrikas, die Democratic Alliance (DA), liegt in aktuellen Umfragen bei rund 27%, während die Economic Freedom Fighters (EFF) derzeit zwischen 16,7% und 18,5% liegen.

Die Gründung der MK, die nach dem früheren militanten Flügel des ANC, uMkhonto weSizwe (dt. Speer der Nation), der Ende der Apartheid aufgelöst wurde, benannt ist, führte bereits zu mehreren Rechtsstreitigkeiten zwischen der MK und dem ANC, u.a. um die Namensrechte, das Parteilogo und andere Symbole der MK. Am 19. März stellte der ANC bei der südafrikanischen Wahlkommission zudem den Antrag, die MK von den Wahlen auszuschließen. Diese lehnte den Antrag ab, woraufhin der ANC vor Gericht zog. Kürzlich hat das Gericht den Antrag des ANC abgelehnt und die MK zur Wahl zugelassen. Der Ausschluss von Jacob Zuma von den Wahlen betrifft dieses Urteil nicht. Die endgültigen Wahllisten werden voraussichtlich in etwa zwei Wochen veröffentlicht.

Und sonst?

Am vergangenen Donnerstag fand in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba das Straßenfest Grand Street Iftar statt. Rund 80.000 äthiopische Musliminnen und Muslime kamen in diesem Jahr zum gemeinsamen Beten und Fastenbrechen zusammen. Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist die Grand Street Iftar auch ein Symbol für interreligiöse Harmonie, das die friedliche Koexistenz von Christinnen und Christen und Musliminnen und Muslimen in Äthiopien widerspiegelt. Das Grand Street Iftar findet seit vier Jahren, in der Regel am 17. Tag des Ramadans, statt, der an den Sieg des Propheten Mohammed in der Schlacht von Badr im 7. Jahrhundert erinnert. In diesem Jahr fiel das Fastenbrechen zudem mit dem Jahrestag der Schlacht bei Adua (1896) zusammen, bei der die äthiopische Armee die Italienische besiegte und so die Souveränität des äthiopischen Volkes sicherte.

 

Veranstaltungshinweis

Am 15. April feiert der Film „Die Liebe in ungleichen Zeiten“ (VUTA N’KUVUTE) des tansanischen Regisseurs Amil Shivji in der KulturBrauerei Berlin um 20 Uhr seine Premiere. Das politische Drama basiert auf dem preisgekrönten Swahili-Roman von Adam Shafi und spielt während der letzten Jahre der britischen Kolonialzeit auf Sansibar. Eines der Anliegen von Shivji ist es, dem einseitigen Bild Sansibars als Touristenattraktion entgegenzuwirken und es als Geburtsort des Widerstands in Tansania zu würdigen. Daher legt der Film den Fokus auch nicht auf den bekannten Stadtteil Sansibar Stone Town, sondern auf den ärmeren Teil Ng’ambo, in dem afrikanische Sklavinnen und Sklaven sowie ihre Nachkommen lebten und in dem die politischen Umwälzungen ihren Anfang nahmen. Die Premiere wird von jip film & verleih in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie dem Tanzania Network organisiert. Der Eintritt ist frei. Interessierte können sich unter Berlinpremiere@jip-film.de anmelden.

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