Pressespiegel KW 22/2023: Weichen stellen
Pressespiegel 26.5.2023 bis 2.6.2023

Somalia leitet Direktwahlen und Präsidialsystem ein

Am Sonntag wurde in Somalia ein Abkommen zwischen der Regierung und Vertreterinnen und Vertretern der Bundesstaaten unterzeichnet, das die Überarbeitung des politischen Systems einleitet. Demnach soll 2024 das lang diskutierte, aber nie umgesetzte allgemeine Direktwahlrecht in Somalia eingeführt werden. Darüber hinaus sieht die Einigung einen Übergang vom bisherigen parlamentarischen System zu einem Präsidialsystem und die Einführung eines einheitlichen Präsidentschaftswahlrechts vor. Entsprechend würden die Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten künftig über einen Stimmzettel gewählt und das Amt des Premierministers abgeschafft werden. Die Einigung ist das Ergebnis der viertägigen Sitzung des National Consultative Council (NCC), an dem Präsident Hassan Sheikh Mohamoud, Premierminister Hamza Abdi Barre sowie führende Vertreterinnen und Vertreter der Bundesstaaten teilnahmen. Das direkte Wahlrecht nach dem Prinzip „eine Person, eine Stimme“ soll erstmals bei den Kommunalwahlen im Juni 2024 und wenig später im November bei den regionalen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen angewendet werden und somit das seit der Machtergreifung von Diktator Siad Barré 1969 aktive indirekte Clan-Wahlsystem ablösen. Wichtige politische Ämter wie das des Premierministers oder des Präsidenten wurden bisher nach einem komplizierten Clan-Proporz vergeben, was zu jahrzehntelangen Machtkämpfen mit einhergehender politischer Unruhe und Instabilität geführt hat, die Expertinnen und Experten zufolge den radikal-islamistischen al-Shabab-Aufstand in den vergangenen Jahren begünstigte. Im halbautonomen nordsomalischen Bundesstaat Puntland fand das direkte Wahlsystem bereits bei den lokalen Bezirksratswahlen am Donnerstag Anwendung. Obwohl es bei der Abstimmung laut der regionalen Wahlkommission zu beträchtlichen Sicherheitsvorfällen kam, begrüßten die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union die Umsetzung allgemeiner direkter Wahlen in Puntland und sprachen von einer “historischen Abstimmung”. Auch mehrere Nachbarländer äußerten sich ähnlich positiv. Die Wahlrechtsreform stößt in vielen Teilen der somalischen Bevölkerung auf Zuspruch, da sie den Forderungen nach mehr und direkterer demokratischer Partizipation der Bürgerinnen und Bürger entspricht. Gleichzeitig weckt die Einigung Hoffnungen auf eine Beendigung der anhaltenden politischen Krise, die in der Vergangenheit Wahlen im Land immer wieder blockiert hatte (Pressespiegel KW 20/2022). Es gibt jedoch kritische Stimmen, darunter auch die des früheren Präsidenten Sharif Sheikh Ahmed (2009 – 2012), von Seiten ehemaliger Premierminister sowie von Puntlands Präsident Saïd Abdullahi Deni, der sich bereits im vergangenen Jahr aus dem NCC zurückgezogen hatte. Sie bemängeln die fehlende Einbeziehung der autonomen Region Somaliland in die Verhandlungen und die Einführung des Präsidialsystems, welches in früheren Gesprächen zu Wahlrechtsreformen nicht zur Debatte gestanden hätte. Darüber hinaus warnen sie, dass die Änderungen des Wahlrechts regionalen Regierungschefs, deren Amtszeit ursprünglich in wenigen Monaten enden sollte, eine Amtszeitverlängerung gewähren könnte.

Neuverhandlung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen DR Kongo und China

Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) und China wollen künftig ihre Zusammenarbeit im Bergbausektor regelmäßig auf Einhaltung beidseitiger Interessen überprüfen und die bilateralen Beziehungen zwischen der DR Kongo und China zu einer umfassenden strategischen Kooperationspartnerschaft aufwerten, was der höchsten Ebene der bilateralen Beziehungen Chinas entspricht. Dies verkündeten Präsident Xi Jinping und sein kongolesischer Amtskollege Félix Tshisekedi am vergangenen Freitag bei einer gemeinsamen Erklärung in Peking. Darüber hinaus sicherte Xi Unterstützung bei den Bemühungen der DR Kongo zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit im Osten des Landes zu und kündigte an, den Austausch der beiden Armeen zu intensivieren. Die Regierung der DR Kongo kämpft in der Region gegen die M23-Rebellen (Pressespiegel KW 46/2022). Tshisekedi reiste vom 24. bis 29. Mai nach China, um Bergbauverträge mit der Volksrepublik neu zu verhandeln und bessere Geschäftsbedingungen für sein Land zu erzielen. Im Fokus stand dabei der Vertag, den sein Vorgänger Joseph Kabila 2008 mit China unterzeichnet hatte. Konkret geht es um das chinesisch-kongolesische Joint Venture Sicomines. Dieses setzt sich aus dem chinesischen Bauunternehmen Sinohydro und dem Eisenbahnunternehmen China Railways, die gemeinsam 68% des Joint Ventures ausmachen, sowie dem staatseigenen kongolesischen Bergbauunternehmen Gécamines, das 32% der Anteile hält, zusammen. Ursprünglich sah der Vertrag vor, dass Sicomines Abbaurechte für Bodenschätze im Exportwert von 90 Milliarden US-Dollar erhält – geschätzte 10,6 Millionen Tonnen Kupfer und 630.000 Tonnen Kobalt – und die chinesische Seite im Gegenzug Investitionen in die Infrastruktur der DR Kongos im Wert von 9 Milliarden US-Dollar finanziert. Nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) jedoch Bedenken wegen der daraus resultierenden kongolesischen Auslandsschuldenlast geäußert hatte, wurde die Investitionssumme auf 6,5 Milliarden US-Dollar reduziert. Der Vertrag stößt in der DR Kongo jedoch zunehmend auf Kritik. So hatte der kongolesische Rechnungshof Inspection Générale des Finances im Februar dieses Jahres kritisiert, dass die Entschädigung für die eingebrachten Kupfer- und Kobaltreserven nicht angemessen seien. Demnach haben chinesische Unternehmen Mineralien im Wert von rund 10 Milliarden US-Dollar abgebaut, im Gegenzug jedoch Infrastrukturprojekte im Wert von lediglich rund 822 Millionen US-Dollar umgesetzt. Peking und Sicomines weisen die Kritik zurück und bezeichnen den Bericht des Rechnungshofs als voreingenommen. Währenddessen versicherte Präsident Xi am Freitag, die vereinbarten Infrastrukturprojekte beschleunigen und die Kooperation im Bergbau weiter stärken zu wollen. Insbesondere wolle man den chinesischen Privatsektor ermutigen, in die Entwicklung der Wertschöpfungskette für neue Energiebatterien in der DR Kongo zu investieren. Hierfür sei es jedoch nötig, dass das Geschäftsumfeld vor Ort verbessert und die Rechte der im Land tätigen chinesischen Unternehmen stärker geschützt werden. Ein Abschluss der Neuverhandlungen konnte während Tshisekedis Peking-Besuch jedoch nicht erreicht werden. Die Verhandlungen würden weiter andauern und ein neues Abkommen solle bis Ende des Jahres unterzeichnet werden, erklärten kongolesische Beamte in Peking. Als Exporteur von Kupfer, Uran und Kobalt ist die DR Kongo von strategischer Bedeutung für den Übergang Chinas zu grüner Energie: Das Land liefert mehr als 60 Prozent des benötigten Kobalts, einer Schlüsselkomponente in Batterien für Elektrofahrzeuge und Elektronik. Nach Angaben des chinesischen Zolls belief sich der Handel mit der DR Kongo im Jahr 2022 auf 21,9 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg von 51,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Und sonst?

Am Dienstag wurde die Gründerin und Präsidentin des Club des jeunes filles leaders de Guinée, Hadja Idrissa Bah, im französischen Caen mit dem Prix Liberté 2023 ausgezeichnet. Die 23-Jährige setzt sich mit dem von ihr 2016 gegründeten Club des jeunes filles leaders de Guinée für den Schutz und die Förderung der Rechte von Mädchen und jungen Frauen ein und kämpft gemeinsam mit den mittlerweile über 500 Mitgliedern im Alter von 10 bis 25 Jahren gegen weibliche Genitalverstümmelung und Zwangsheirat in ihrem Heimatland Guinea. Der Prix Liberté wird jährlich von der Region Normandie an eine Person oder Organisation, die sich im Kampf für die Freiheit engagiert, vergeben und ist mit 25.000 € dotiert.

Veranstaltungshinweis

Unter dem Dachthema “Klima-Bilder: Was wir ahnen und wissen können” kuratiert SAABA-education die Ausstellung #ensemble-2: #Klima-Bilder #ChangingClimate und zeigt über 70 Kunstwerke von 38 Künstlerinnen und Künstlern aus Subsahara-Afrika. Bei den Künstlerinnen und Künstlern handelt es sich um die Preisträgerinnen und -träger des Kunstwettbewerbs #ensemble-2, die in ihren Kunstwerken Alltagseindrücke und Realitäten des afrikanischen Kontinents vor dem Hintergrund des Klimawandels eingefangen haben. Zu sehen sind Bilder aus den Genres Malerei, Grafik und Fotografie – sowohl online, als auch offline: Die online 3-D-Ausstellung startete am Donnerstag und ist kostenfrei rund um die Uhr zugänglich. Vom 2. Juli bis Ende August werden die Kunstwerke zudem auch in Berlin-Moabit am Außenzaun der Heilandskirche in der Turmstraße ausgestellt. Begleitet werden die Ausstellungen von einem Beiprogramm bestehend aus Diskurs-Abenden und Publikumsgesprächen zu den Themen Klimagerechtigkeit, Afrika und Dekolonialisierung.

Presseübersicht
Filtern
Pressespiegelarchiv
Keine Ergebnisse