Pressespiegel KW 20/2024: Konkurrenz und Annäherung
Pressespiegel 10.5.2024 bis 17.5.2024

Präsidentschaftswahlen im Tschad

Am Donnerstag bestätigte der Verfassungsrat des Tschad die von der Wahlkommission Agence nationale de gestion des élections du Tchad (ANGE) vergangene Woche überraschend veröffentlichten vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 6. Mai. Nach offiziellen Angaben konnte sich der derzeitige Übergangspräsident Mahamat Idriss Déby Itno im ersten Wahlgang mit 61,03 % mehr als die Hälfte der Stimmen sichern und somit eine Stichwahl  umgehen. Sein wichtigster Konkurrent, der amtierende Premierminister Succès Masra von der Oppositionspartei Les Transformateurs, kam auf 18,53%. Auf dem dritten Platz landete der ehemalige Premierminister und Kandidat der Partei Rassemblement national pour la démocratie au Tchad (RNDT-Le Réveil), Albert Pahimi Padacké (16,91%). Nach offiziellen Angaben lag die Wahlbeteiligung bei 76%. Die Verkündung der vorläufigen Wahlergebnisse gerade einmal drei  anstatt 15 Tage nach der Wahl sorgte sowohl national als auch international für Überraschung und Kritik. So verweisen Oppositionsvertreterinnen und -vertreter unter anderem auf die logistischen Herausforderungen, die über 26.000 Wahlberichte der Wahllokale innerhalb von nur drei Tagen zu sammeln und im Hauptquartier der ANGE in der Hauptstadt N’Djamena manuell einzugeben. Die Wahlkommission und auch der Minister für Regionalplanung, Mahamat Assileck Halata, verweisen hingegen darauf, sich strikt an die Wahlverordnung gehalten und die vorläufigen Wahlergebnisse innerhalb von 15 Tagen verkündet zu haben.

Auch der Wahlvorgang an sich wurden von nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen kritisiert. So äußerte sich unter anderem die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH) besorgt und beschrieb die Wahlen als weder glaubwürdig noch frei. Die International Crisis Group (ICG) äußerte ebenfalls Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Wahlen und verwies auf den Ausschluss von Oppositionskandidatinnen und -kandidaten. Unabhängige Wahlbeobachterinnen und -beobachter waren zuvor inoffiziell im Land eingesetzt worden, nachdem rund 2.900 Beobachterinnen und Beobachtern die Akkreditierung kurzfristig verweigert worden war. Der Generalberichterstatter der Wahlbeobachtungsorganisation Observatoire des associations sur le processus électoral au Tchad (OAPET), Gombo Breye Houzibe, kritisierte ebenfalls die mangelnde Transparenz der Wahlen.

Noch vor der Verkündung der offiziellen Wahlergebnisse erklärte sich Masra am Donnerstag zum Sieger der Wahl. Nach Angaben seiner Partei erreichte er 59,2% der Stimmen, Déby erhielt demnach nur 14,36%. Nach der Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses rief Masra zum friedlichen Protest gegen die aus seiner Sicht gefälschten Wahlen auf. Daraufhin wurde die Militärpräsenz in den Straßen der großen Städte stark erhöht, weshalb es  nicht zu den erhofften Protesten. In den Straßen der Hauptstadt  wurde am Donnerstag und Freitag von mehreren Schüssen berichtet, wobei verschiedenen Medien zufolge mindestens zehn Menschen getötet und 60 weitere verletzt wurden. Bei den Schüssen soll es sich um Querschläger von Freudenschüssen des Militärs gehandelt haben, die den Sieg ihres Generals Déby ausgelassen feierten. Weitere Berichterstattung über die Vorfälle wie auch der Zugang zu den Verletzten im Krankenhaus wurden den Medien jedoch von den Behörden untersagt. Die Feierlichkeiten des Militärs wurden im Anschluss von Human Rights Watch und der Europäischen Union als Gewaltanwendungen deklariert und verurteilt.

Am Sonntag reichte Masra eine offizielle Klage gegen das Wahlergebnis beim Verfassungsrat ein. In der Klageschrift dokumentieren seine Anwälte unter anderem die Verweigerung des Zugangs zu den Wahllokalen und der Stimmenauszählung, das Fehlen von Wählerlisten in einigen Wahllokalen, von Soldatinnen und Soldaten mitgenommene Wahlurnen und die Festnahme von 79 Aktivistinnen und Aktivisten der Partei Les Transformateurs am Rande der Abstimmung. Der Vizepräsident der Partei, Sitack Yombatina Béni, forderte aufgrund von Unregelmäßigkeiten die Annullierung der Wahl. Der Verfassungsrat lehnte die Klage am Donnerstag allerdings mit der Begründung ab, dass die Opposition keine Belege für ihre Vorwürfe vorlegen könne. Auch der drittplatzierte Padacké legte Beschwerde beim Verfassungsrat ein. Er forderte die teilweise Annullierung der Wahl in den drei Provinzen, in denen Masra vorne lag und warf diesem die Verwendung der tschadischen Nationalflagge während seines Wahlkampfes vor, was gegen das tschadische Wahlgesetz verstoße. Auch diese Klage wurde vom Verfassungsrat abgewiesen.

Déby verkündete derweil in seinem offiziellen Statement, dass er nun als demokratisch gewählter Präsident der tschadischen Bevölkerung umgehend seine Wahlversprechen umsetzen werde. Hierzu zählen vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Jugend sowie die Stärkung der inneren Sicherheit, um Frieden und Stabilität zu garantieren.

Bei den Wahlen am 6. Mai handelte es sich um die ersten demokratischen Wahlen im Tschad seit dem Tod des damaligen Präsidenten Idriss Déby im Jahr 2021. In der Folge hatte der militärische Übergangsrat Conseil Militaire de Transition (CMT) unter der Führung von Mahamat Idriss Déby Itno, dem Sohn des verstorbenen Präsidenten, die Macht übernommen (Pressespiegel KW 16/2021). Bereits im Vorfeld der Wahlen kam es in diesem Jahr vermehrt zu schweren Protesten. Ein Auslöser war die Ankündigung der tschadischen Wahlbehörde im Februar, dass die Wahlen nicht wie geplant im Oktober, sondern im Mai stattfinden werden. Daraufhin wurde bei einem Schusswechsel mit dem Militär der Oppositionskandidat Yaya Dilo von der Parti socialiste sans frontière (PSF) getötet (Pressespiegel KW 9/2024).

 

Annäherung zwischen Niger und Benin

Am Mittwoch verkündete die beninische Regierung, die Blockade von nigrischen Ölexporten nach China über seinen Hafen in Cotonou aufzugeben. Die Aufhebung der Blockade, die unter Vermittlung der chinesischen Regierung und der China National Petroleum Corporation (CNPC), welche die rund 2.000 km lange Pipeline vom nigirischen Ölfeld Agadem nach Sèmè-Kpodji in Benin betreibt, erreicht wurde, gilt als wichtiger Annäherungsschritt im Handelskonflikt zwischen den beiden Sahelstaaten. Dieser war vergangene Woche eskaliert, nachdem Benin ein Verbot für die Beladung von chinesischen Schiffen mit aus Niger stammenden Rohöl verhängt hatte. Damit sollte der Druck auf den Nachbarstaat erhöht werden, seine Grenzen zu Benin, die seit dem Militärputsch in Niger im Juli vergangenen Jahres geschlossen sind, wieder zu öffnen.

Nigers Premierminister Ali Mahaman Lamine Zeine reagierte empört und bezeichnete die Blockade der Ölexporte als Verstoß gegen zahlreiche Handelsabkommen zwischen den beiden Staaten und Nigers chinesischen Partnern. Die Einnahmen aus den chinesischen Ölexporten, die sich laut Vorvertrag mit CNCP auf rund 400 Millionen US-Dollar belaufen – ab Mai sollen in Agadem bis zu 90.000 Barrel Rohöl pro Tag gefördert werden – sind zentral für Niger, um seine Staatsverschuldung von über 600 Millionen US-Dollar zu tilgen, nachdem mehrerer Zahlungen inländischer Anleihen aufgrund von Sanktionen und Nigers Ausschluss vom regionalen Anleihemarkt ausgeblieben waren. Die Pipeline, die das nigrische Ölfeld mit dem Hafen in Benin verbindet, war erst vor wenigen Wochen eingeweiht worden.

Seit dem Putsch in Niger sind die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Sahelstaaten praktisch zum Erliegen gekommen. Die Schließung der Grenze führte in Benin zu sinkenden Staatseinnahmen und steigenden Lebensmittelkosten, was landesweite Proteste auslöste. Der Binnenstaat Niger wiederum wickelte einen Großteil seiner Importe über den beninischen Hafen von Cotonou ab. Seit der Machtübernahme des Militärs verlegte Niger jedoch Teile seines Handels auf die Alternativrouten über die togoische Hafenstadt Lomé und durch Burkina Faso. Dieser Weg ist zwar länger und gilt als unsicherer, da es in der Region Burkina Fasos, durch die die Route verläuft, dschihadistische Aktivitäten gibt, dennoch baute Niger in den letzten Monaten seine Kooperation mit Burkina Faso, das ebenfalls von einer Militärjunta geführt wird, verstärkt aus.

Eine vollständige Öffnung der nigrisch-beninischen Grenze stellt Niger bisher trotz des Einlenkens Benins nicht in Aussicht – dies sei aus Sicherheitsgründen nicht möglich, wie Lamine Zeine in einem Statement betonte. Auslöser der Spannungen zwischen den beiden Staaten war der Putsch in Niger im vergangenen Jahr, bei dem der ehemalige Präsident, Mohamed Bazoum, durch die Militärjunta Conseil national pour la sauvegarde de la patrie (CNSP) abgesetzt wurde. Daraufhin hatte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS Sanktionen gegen Niger verhängt und eine militärische Intervention erwogen, sollte der demokratisch gewählte Bazoum nicht wieder als Präsident eingesetzt werden (Pressespiegel KW 33/ 2023). Benin, das ebenfalls Mitglied der ECOWAS ist, galt als einer der Befürworter einer ECOWAS-Militäroperation. Als Reaktion auf die Drohung schloss Niger die Grenzen zu Benin mit der Begründung, es gäbe Militärbasen auf der beninischen Seite der Grenze, in denen Terroristinnen und Terroristen ausgebildet würden, um  Niger zu destabilisieren. Am 8. Mai wies Benins Präsident Patrice Talon in sozialen Netzwerken die Gerüchte zurück, Benin habe ausländische Truppen an der Grenze zusammengezogen, um in Niger einzumarschieren. Der Regierungssprecher von Benin, Wilfried Léandre Houngbedji, betonte, es gebe zwar Militärbasen in der Grenzregion, diese dienten jedoch ausschließlich zur Bekämpfung des Dschihadismus in der Region. Niger hatte im Januar dieses Jahres gemeinsam mit Burkina Faso und Mali aufgrund der Sanktionen der ECOWAS seinen Austritt aus der Regionalgemeinschaft angekündigt (Pressepiegel KW 5/2024). Die Sanktionen gegen Niger wurden im Februar aufgehoben.

 

Und sonst?

Am Sonntag fand in Mali das jährliche Neuverputzen der Großen Moschee von Djenné statt. Die Moschee im Nigerbinnendelta ist das größte sakrale Lehmgebäude weltweit und gilt als ein Höhepunkt der sudanesisch-sahelischen Architektur in Mali. Jedes Jahr wird vor dem Beginn der Regenzeit im Juni eine neue Schicht Lehm aufgetragen, um die Unversehrtheit der Moschee sicherzustellen, die seit 1988 zusammen mit der umliegenden Altstadt von Djenné UNESCO Welterbe ist und seit 2016 auf der Liste des gefährdeten Welterbes der UNESCO steht. Das eintägige Neuverputzen der Moschee, das auch unter dem Namen “Crepissage de la Grand Mosquée” bekannt ist, gilt als Symbol des Friedens und ist ein feierlicher Gemeinschaftsakt, bei dem die ganze Gemeinde von Djenné zusammenkommt und der von anderen kulturellen und religiösen Aktivitäten begleitet wird. Bevor die Sicherheitslage in Mali weiter erodierte, reisten jährlich auch zahlreiche Touristinnen und Touristen an, um das Ereignis mitzuerleben. Der Bau der Moschee lässt sich etwa auf 1200 n.Chr. datieren. Djenné war zudem ein wichtiges Zentrum des Studierens des Islam und dessen Verbreitung in der Region.

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