Pressespiegel KW 23/2023: Turbulente Zeiten
Pressespiegel 2.6.2023 bis 9.6.2023

Unruhen im Senegal

Im Senegal halten die Ausschreitungen und Proteste, die vergangenen Donnerstag in der Hauptstadt Dakar ausgebrochen waren, weiter an. Auslöser hierfür war die Verurteilung des insbesondere unter der jungen Bevölkerung beliebten Oppositionsführer Ousmane Sonko von der Partei Pastef-Patriots, der wegen unmoralischem Verhalten gegenüber einer Person unter 21 Jahren zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde; von den Vorwürfen der Vergewaltigung sprach das Gericht ihn frei. Sonko gilt als Präsidentschaftskandidat für die Wahlen im kommenden Jahr – sollte die Verurteilung aufrechterhalten bleiben, würde dies seinen Ausschluss aus dem Rennen bedeuten. Bei den Unruhen, die zu den schwersten seit Jahrzehnten zählen, kamen laut offiziellen Angaben mindestens 16 Menschen, laut Amnesty International mindestens 23 Menschen, ums Leben; über 400 Personen wurden verletzt und mehr als 500 Menschen verhaftet. Zusätzlich zu den Sicherheitskräften, die mit Tränengas gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vorgingen, waren in der Hauptstadt auch Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Darüber hinaus kam es zu erheblichen Sachschäden, Autos und Geschäfte wurden in Brand gesteckt und auch das Universitätsgebäude sowie eine Journalistenschule in Dakar trugen schwere Schäden davon. Im Zuge der Proteste schränkte die Regierung den Zugang zum Mobilfunknetz und zu sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und WhatsApp ein. Während das Innenministerium die Maßnahme am Sonntag damit rechtfertige, dass man die Verbreitung hasserfüllter und subversiver Botschaften verhindert wolle, kritisierten zivilgesellschaftliche Organisationen die Einschränkung als Verletzung der Pressefreiheit und forderten die vollständige Wiederherstellung des Zugangs. Im Zuge der politischen Spannungen im Inland kam es auch zu Angriffen auf Konsulate im Ausland, woraufhin das senegalesische Außenministerium am Dienstag die vorübergehende Schließung von mehreren Konsulaten, darunter in Paris, Bordeaux, Mailand und New York, ankündigte. Am Mittwoch kündigte die Regierung zudem eine Untersuchung der Unruhen an. Während sich die Regierung und die Opposition für die politischen Unruhen, die seit Sonkos Anklage im März 2021 das Land immer wieder erschüttern (Pressespiegel KW 11/2023), gegenseitig die Schuld geben, fürchtet die Bevölkerung langfristige wirtschaftliche Folgen im Zuge der Ausschreitungen, insbesondere für den Tourismus und den Handel – galt Senegal doch jahrzehntelang als Stabilitätsanker in Westafrika – aber auch den informellen Sektor. Diese Sorge teilt auch die Regierung, denn die durch die monatelang anhaltenden Ausschreitungen verursachten Schäden haben das Land bereits mehrere Millionen US-Dollar gekostet. Darüber hinaus fürchten die Einwohnerinnen und Einwohner Dakars eine neue Welle der Gewalt, sollte der Haftbefehl gegen Sonko vollstreckt werden. Aktuell hält sich Sonko an seinem Wohnsitz in Dakar auf, wo er seit dem Wochenende von Sicherheitskräften – nach seinen Aussagen unrechtmäßig –  festgehalten wird. Auch die internationale Gemeinschaft beobachtet die Geschehnisse im Senegal mit zunehmender Besorgnis. So hatten u.a. UN-Generalsekretär António Guterres, der Präsident der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) die Gewalt bei den Protesten verurteilt und zur Ruhe aufgerufen. Auch die Europäische Union und Frankreich drückten Besorgnis über die Gewalt im Senegal aus. Im Nachbarland Gambia fordert derweil die Zivilgesellschaft die gambische Regierung auf, im Konflikt zu vermitteln, ähnlich, wie es die senegalesische Regierung 2016 in der politischen Krise in Gambia getan hatte.

Gesetzentwurf zur Änderung der ICPC in Nigeria 

Wie am Wochenende bekannt wurde, verabschiedete der Senat in Nigeria einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Einrichtung der Unabhängigen Kommission für Korruptionsbekämpfung (ICPC). Kritikerinnen und Kritiker, darunter auch das Policy and Legal Advocacy Centre (PLAC), warnen vor erheblichen Einschränkungen der Befugnisse des Kommissionsvorsitzenden und der Funktionsfähigkeit der Behörde. So sollen laut dem Gesetzentwurf die Befugnisse und Zuständigkeiten, die der Kommissionsvorsitzende im Tagesgeschäft der Behörde ausübt, auf den regelmäßig tagenden Vorstand übertragen werden. Dies könnte zu einem bürokratischen Engpass in der Funktionsweise der ICPC führen und deren Arbeit somit stark beeinträchtigen, wie eine Überprüfung des Gesetzesvorschlags ergeben hat. Des Weiteren sollen künftig Sitzungen der ICPC mit oder ohne Vorsitzenden ordnungsgemäß einberufen werden können und das Wort „Vorsitzender“ durch „Kommission“ ersetzt werden. Dadurch könnten weitreichende Entscheidungen der Kommission mit geringer oder gar keiner Beteiligung des Vorsitzenden getroffen werden.das Wort „Kommission“ durch „Vorsitzender“ ersetzt werden. Der Vorsitzende der Human and Environmental Development Agenda (HEDA) Olanrewaju Suraj kritisiert, dass diese Änderungen die ICPC politischer Einflussnahme von außen aussetzen würde. Weitere kritische Stimmen sehen in der Änderung des Independent Corrupt Practices and Other Related Offences Commission Act (2000) eine ernsthafte Bedrohung für die Korruptionsbekämpfung, die schwerwiegende Folgen für die ICPC haben könnte. Die Anhörung des Gesetzesentwurf im Senat unter Ausschluss der Öffentlichkeit schwäche diesen zusätzlich. Noch ausstehend ist allerdings die Zustimmung des Repräsentantenhauses, das bei der Sitzung vergangenen Donnerstag die eigentlich geplante Lesung des Gesetzesentwurfs verschoben hatte. In der Zwischenzeit soll eine vertiefte Prüfung des Vorschlags ermöglicht werden. Auch Mitglieder der ICPC, darunter der Vorsitzende Prof. Bolaji Owasanoye hatten das Repräsentantenhaus aufgerufen, die Lesung auszusetzen, um Bedenken gegen die vorgeschlagene Änderung vorzubringen. Es gibt jedoch auch Befürworter des Entwurfes. So sieht das Network of Social Workers Against Corruption (N-SWAC) in der Gesetzesänderung eine Stärkung der ICPC und deren Effizienz im Kampf gegen Korruption. Der Gesetzesentwurf reiht sich in eine ganze Reihe von Gesetzesvorschlägen und Neuerungen unter der Regierung von Präsident Bola Tinubu, der erst vergangene Woche am 29.5. in Amt vereidigt wurde und im Februar die Präsidentschaftswahlen mit 36,61% Prozent für sich entscheiden konnte, ein. So erklärte er direkt nach seinem Amtsantritt, die von der Vorgängerregierung eingeführten und aufrechterhaltenen Treibstoffsubventionen Ende Juni auslaufen zu lassen, was einen enormen Preisanstieg für Benzin sowie öffentliche Verkehrsmittel mit sich führte. Die größte Gewerkschaft des Landes, der Nigeria Labour Congress (NCL), kündigte währenddessen bereits weitgehende Proteste an, sollten die Subventionen nicht aufrechterhalten werden. Tinubu reagiert mit der Abschaffung der Subventionen auf die enorme Schieflage des Staatshaushalts, die auf sinkenden Ölpreise, steigende Inflation und milliardenschwere Subventionen von Treibstoff zurückzuführen ist, um die enormen Kosten für Ölimporte abzufedern. Denn obwohl Nigeria Afrikas größter Öl- und Gasproduzent ist, ist der westafrikanische Staat zur Deckung seines Benzinbedarfs fast vollständig auf teure Importe angewiesen. Während der Coronapandemie konnte Nigeria seine Zahlungsfähigkeit nur dank eines Notkredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufrechterhalten. Am Dienstag stimmte der Senat bereits Tinubus Gesuch, 20 Sonderberater zu ernennen, zu. Dieser hatte den Senat zwei Tage zuvor in einem Brief um Zustimmung gebeten, ohne Namen oder konkrete Zuständigkeiten zu nennen.

Und sonst?

Das südafrikanische Start-up-Unternehmen Lelapa mit Sitz in Johannesburg arbeitet an künstlicher Intelligenz (KI), die auf die Bedürfnisse Afrikas zugeschnitten ist, um rassistische Diskriminierung zu reduzieren. Herkömmliche KI-Systeme seien vor allem auf die westliche Welt ausgerichtet, kritisiert die Mitbegründerin des Unternehmens, Pelonomi Moiloa. So würden beispielsweise Gesichtserkennungssoftware schwarze Hautfarbe oder bestimmte Gesichtszüge nicht immer erkennen. Bei der Herstellung von Geräten würden zudem häufig afrikanische Rohstoffe ausgebeutet und auch bei der Entwicklung von Software oftmals afrikanisches Wissen geplündert werden. Ein konkretes Beispiel hierfür sei die Entwicklung von Übersetzungsprogrammen für afrikanische Sprachen, so Moiloa, wobei Muttersprachlerinnen und -sprachler keine Beteiligungsrechte oder angemessene Entschädigung erhalten würden. Dem will Lelapa, dessen Name in der Bantu-Sprache Sesotho “Gemeinschaft” bedeutet, nun entgegenwirken. Das erste Produkt des jungen Unternehmens, das erst Ende 2022 gegründet wurde, ist, Vulavula (dt. “Sprechen”). Die Programmiererinnen und Programmierer entwickelten hier sogenannte Chatbots – auf KI basierte Frage-Antwort-Programme – in den Landessprachen Südafrikas. Die Mitwirkenden erhalten nicht nur ein Honorar, sondern auch einen Anteil am Produkt, um eine Eigentumsbeziehung zu schaffen. Afrikanische Perspektiven und afrikanisches Wissen sollen so angemessen gewürdigt, entlohnt und nutzbar gemacht werden.

Sondermeldungen

Algerien und Sierra Leone als nichtständige Mitglieder in den UN-Sicherheitsrat gewählt

Am Dienstag wählte die UN-Generalversammlung Algerien und Sierra Leone als nichtständige Mitglieder in den UN-Sicherheitsrat. Die beiden afrikanischen Staaten lösen damit Gabun und Ghana ab und bilden gemeinsam mit Kenia, dessen Sitz nicht zur Neubesetzung stand, die Vertretung des afrikanischen Kontinentes in dem UN-Gremium. Sierra Leone war bereits von 1970 – 1971 nichtständiges Mitglied und sitzt dem sog. Committee of Ten (C-10) der Afrikanischen Union vor, das die Verhandlungen über die Position des Kontinents zur Reform des UN-Sicherheitsrates verhandelt. Dem Komitee gehören u.a. auch Algerien und Kenia an. Die afrikanischen Staaten fordern zwei ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat sowie zwei zusätzliche nichtständige Sitze (siehe Ezulwini Consensus und Sirte Declaration). Deutschland unterstützt die Forderungen.

Sudan erklärt deutschen UN-Sondergesandten zur Persona non grata

Die Militärregierung des Sudans erklärte den deutschen UN-Sondergesandten Volker Perthes am Donnerstag zur unerwünschten Person. Erst vor zwei Wochen hatte Militärchef und de facto Machthaber Abdel Fattah al-Burhan Perthes vorgeworfen, den Konflikt zwischen der Militärregierung und der paramilitärischen Rapid Support Forces weiter anzuheizen und dessen Absetzung gefordert. Perthes hielt sich zur Zeit der Bekanntmachung in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba auf, wo er an einer Reihe von diplomatischen Treffen teilnahm. Hintergründe zum Konflikt im Sudan finden Sie in unseren Pressespiegeln KW 16/2023 und KW 15/2023.

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