Pressespiegel KW 49/2023: Wandel ins Ungewisse?
Pressespiegel 1.12.2023 bis 8.12.2023

Guinea-Bissaus Präsident löst das Parlament auf

Am Montag hat der Präsident Guinea-Bissaus, Umaro Sissoco Embaló, das von der Opposition dominierte Parlament per Dekret aufgelöst. Dies verkündete ein Sprecher im staatlichen Fernsehen am Abend, begleitet von der Zusage des Präsidenten, die demokratischen Errungenschaften und die politische Stabilität des Landes zu erhalten. Zu „gegebener Zeit“ solle außerdem ein Termin für die Abhaltung der nächsten Parlamentswahlen festgelegt werden. Präsident Embaló berief sich in seiner Entscheidung auf die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Bissau, welche sich in der Nacht des vergangenen Donnerstags zwischen Mitgliedern der Nationalgarde und der Streitkräfte des Präsidentenpalastes ereignet hatten. Zu diesen kam es, als die Nationalgarde den der Opposition angehörenden Wirtschafts- und Finanzminister Suleimane Seidi und den Staatssekretär für öffentliche Finanzen António Monteiro aus Polizeigewahrsam befreiten, nachdem die beiden Politiker am Donnerstagmorgen von den Streitkräften des Präsidentenpalastes im Auftrag des dem Präsidenten unterstellten Staatsanwaltes festgenommen worden waren. Grund für die Verhaftung war der Verdacht versuchter Korruption durch die mutmaßliche Entnahme von 10 Millionen Dollar aus der Staatskasse. Beide Regierungsvertreter wurden im Zuge der gewaltvollen Auseinandersetzungen erneut von den Behörden festgenommen. Nach seiner Rückkehr aus Dubai, wo sich Präsident Embaló zum Zeitpunkt der Ereignisse auf dem COP28 Klimagipfel aufhielt, entließ dieser am vergangenen Freitag zunächst Victor Tchongo, den Chef der Nationalgarde, die dem ebenfalls von der Opposition geführten Innenministerium unterstehenden. Embaló kündigte daraufhin weitere Konsequenzen als Reaktion auf den  „versuchten Staatsstreich“ der Nationalgarde und deren „politische Komplizenschaft“ mit den der Korruption verdächtigen Mitgliedern der Exekutive an. Der Präsident des Parlaments und gleichzeitig Vorsitzende der Parlament und Kabinett dominierenden Oppositionspartei African Party for the Independence of Guinea and Cape Verde (PAIGC), Domingos Simões Pereira, welcher seit jeher als politischer Gegner Embalós gilt, lehnte das infolge der Vorkommnisse erlassene präsidentielle Dekret ab. Pereira beschuldigte den Präsidenten seinerseits, einen „verfassungsmäßigen Staatsstreich“ zu verüben, da das Parlament gemäß Artikel 94 der Verfassung in den ersten zwölf Monaten nach Einrichtung nicht aufgelöst werden könne. So war das  Parlament erst vor wenigen Monaten, im Juni 2023, gewählt worden, (Pressespiegel KW 24/2023), nachdem Präsident Embaló das vorherige bereits im Mai 2022 vor einem ähnlichen Hintergrund und unter Berufung auf Korruption aufgelöst hatte (Pressespiegel KW 20/2022). Unterdessen verurteilte die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung sowohl die Gewalt als auch die versuchte Störung der konstitutionellen Ordnung und bekundete ihre Solidarität mit den verfassungskonformen Behörden des Landes. Außerdem solle der Vorfall untersucht und Verantwortliche strafrechtlich verfolgt werden. Auch der Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahama, erließ ein Statement, in welchem er die Gewalt verurteilte. Darüber hinaus äußerte er Besorgnis über die Auflösung des Parlaments und rief zu Dialog, Einheit und Stabilität auf. Im Kontext der sich häufenden Staatsstreiche durch das Militär in anderen west- und zentralafrikanischen Ländern der letzten Monate sorgt die sich zwischen den beiden Fraktionen der Armee und zwischen Präsident und Parlament verschärfende politische Lage in Guinea-Bissau für weitere Unruhe in der Region, wobei sie sich auch in die Geschichte des Landes einreiht, das seit der Unabhängigkeit 1974 eine Reihe von erfolgreichen und versuchten Staatsstreichen durchlebt hat.

Die EU muss Niger verlassen

Die nigrische Militärjunta hat am Montag zwei Verträge mit der EU annuliert. Die aufgekündigten Abkommen betreffen die Civilian Capacity-building Mission (EUCAP Sahel Niger) und die European Military Partnership Mission in Niger (EUMPM Niger). Das nigrische Außenministerium teilte nun mit, es ziehe alle Privilegien und Immunitäten, die im Zuge der beiden Missionen von der Vorgängerregierung gewährt wurden, zurück. Mitglieder beider Missionen werden entsprechend dazu aufgefordert, das Land zu verlassen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell zeigte sich resigniert ob der Entscheidung und kündigte an, man werde die nötigen operativen Konsequenzen zum Abzug beider Missionen ziehen. Am Tag vor der Ankündigung traf eine russische Delegation mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Yunus-Bek Yevkurov in Niamey ein und verhandelte mit Vertretern der nigrischen Regierung eine Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit. Das bestätigte die Prognose von Expertinnen und Experten, Niger wende sich nicht nur von der EU ab, sondern gleichzeitig Russland zu und folge damit der Tendenz seiner Nachbarn Burkina Faso und Mali. EUCAP diente primär dem Aufbau diverser nigrischer Sicherheitsinstitutionen, um effektiver gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität vorgehen zu können und wurde 2012 im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU auf Drängen der damaligen nigrischen Regierung hin ins Leben gerufen. EUMPM Niger ist hingegen eine militärische Mission, an der auch die Bundeswehr mit 60 Soldatinnen und Soldaten in den Bereichen der militärischen Führungsunterstützung und der nachrichtendienstlichen Aufklärung teilnahm, und die im Dezember 2022, erneut auf Initiative der nigrischen Regierung hin, entstanden war. Dieses Klima der nigrisch-europäischen Zusammenarbeit hat sich seit dem Putsch in Niamey im Juli dieses Jahres deutlich gewandelt (Pressespiegel KW 30/2023). Als bei dem Machtwechsel Präsident Bazoum abgesetzt und inhaftiert wurde, erreichten mit dem neuen Machthaber General Abdourahmane Tiani die bereits in vielen Teilen der Bevölkerung grassierenden Ressentiments gegen Frankreich und die EU die Regierungsebene. Niger kündigte außerdem gemeinsam mit Burkina Faso vergangenes Wochenende seinen Austritt aus dem Verteidigungspakt G5 an und erklärte, die Organisation habe ihren Zweck, islamistischen Terror in der Region zu bekämpfen, nicht erfüllt. Mali hatte bereits letztes Jahr seinen Rückzug aus dem seit 2014 bestehenden antidschihadistischen Militärbündnis eingeleitet. Die drei Länder gründeten im September ein neues Format, die Allianz der Sahel-Staaten (AES) (Pressespiegel KW 38/2023). Die verbleibenden Mitgliedstaaten, Tschad und Mauretanien, gaben am Mittwoch die offizielle Auflösung der G5 bekannt, wobei das Bündnis nicht erst seit den jüngsten Ereignissen als gescheitert gilt. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hatte gar von Beginn an immer wieder Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Bündnisses, welches mit massiver Unterstützung der EU ins Leben gerufen wurde, geäußert.

Und sonst?

Am Samstag endete nach neun Tagen das Internationale Filmfestival von Marrakesch mit der Verleihung des prestigeträchtigen Etoile d’Or für den marokkanischen Dokumentarfilm Kadib Abyad (deutsch: Die Mutter aller Lügen) von Asmae El Moudir. Der Dokumentarfilm der 32-jährigen Regisseurin, welche zum ersten Mal in der Geschichte des Filmpreises die höchste Auszeichnung des Festivals für Marokko gewinnen konnte, erzählt die bewegende Vergangenheit von El Moudirs in Casablanca lebenden Familie während der eisernen Regentschaft von König Hassan II. Die Jury, unter dem Vorsitz der US-amerikanischen Schauspielerin Jessica Chastain, zeichnete zudem das Drama Hounds des marokkanischen Regisseurs Kamal Lazraq und den palästinensischen Dokumentarfilm Bye Bye Tiberias von Lina Soualem mit dem Jurypreis aus; der Preis für die beste Regie erhielt die senegalesische Filmemacherin Ramata-Toulaye Sy für ihren Film Banel & Adama. Das Internationale Filmfestival von Marrakesch ist eine international anerkannte Preisverleihung, welche seit 2001 Filme aus aller Welt präsentiert und würdigt. Auf der diesjährigen 20. Ausgabe des Festivals konnte das Publikum 75 Filme aus insgesamt 36 Ländern entdecken.

Hinweis

Am Donnerstag fand das Launch-Event African Berlin Tech Network der Initiative BlackInTech in Berlin statt. Die gemeinnützige Organisation BlackInTech setzt sich für die Förderung von Schwarzen Tech-Professionals ein, unterstützt Karrieremöglichkeiten und veranstaltet regelmäßig Networking-Events und Workshops. Mit dem Projekt African Berlin Tech Network zielt die Initiative auf eine stärkere Vernetzung der in Deutschland lebenden afrikanischen Diaspora und afrikanischen Tech-Unternehmen und auf eine stärkere Zusammenarbeit führender Technologiezentren in Deutschland und Afrika ab.

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